EnBW-Anteile:Ein "Bombengeschäft" für Baden-Württemberg

Unter Führung von Ministerpräsident Mappus hat das Bundesland Anteile am Energiekonzern EnBW gekauft. Nun werden zwei Atommeiler abgeschaltet - das könnte teuer werden.

R. Deininger

In der Nacht zum Donnerstag hat Stefan Mappus bekommen, was er wollte: ein kräftiges Symbol für seinen neuen Kurs in der Atompolitik. Zwei der vier Reaktoren in Baden-Württemberg gingen vom Netz, Neckarwestheim 1 für immer, Philippsburg 1 für mindestens drei Monate. Dem bedrängten Ministerpräsidenten sollten die Abschaltungen auch die schnelle Befreiung bringen, am 27. März ist Landtagswahl. Mittelfristig jedoch könnten sie seine Kalamitäten sogar noch vergrößern, besonders wirtschaftlich.

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Früher galt Stefan Mappus in der CDU als Cheflobbyist für Kernenergie. Jetzt legt er Wert darauf, nie ein "Atomideologe" gewesen zu sein.

(Foto: dpa)

Vormals galt Mappus in der CDU als Cheflobbyist für Kernenergie, nun legt er Wert darauf, nie ein "Atomideologe" gewesen zu sein. Ohne Zweifel ist das Land unter seiner Führung heute jedenfalls Miteigentümer von vier Atomkraftwerken an Rhein und Neckar. Mitte Dezember hat seine Regierung einen 45-Prozent-Anteil an der Energie Baden-Württemberg (EnBW) übernommen, Deutschlands drittgrößtem Energiekonzern. Die EnBW lebt von der Kernkraft: 2010 hat der Versorger 1,17 Milliarden Euro Gewinn gemacht, der nach Schätzung von Branchenexperten zu 90 Prozent aus der Stromproduktion stammt. Drei Viertel des Stroms kommen aus den vier Meilern in Neckarwestheim und Philippsburg.

In Stuttgart macht dieser Tage ein Zitat die Runde, es soll ein paar Monate alt sein und wird dem Investmentbanker Dirk Notheis zugeschrieben, der den EnBW-Deal einfädelte: "Das ist ein Bombengeschäft für das Land - es sei denn, es geht irgendwo noch ein Atomkraftwerk in die Luft." Notheis dementiert, solcher Zynismus sei ihm fremd. Aber an dem Satz könnte dennoch etwas dran sein.

Mappus nennt die Debatte "absoluten Quatsch"

41,50 Euro hat das Land für eine EnBW-Aktie bezahlt, zufrieden hat Mappus vorgerechnet, dass die Staatskasse schon im ersten Jahr 60 Millionen Euro Dividende einstreichen kann. Die mittelfristigen Aussichten hatte nicht nur die Stuttgarter Opposition schon bisher weniger sonnig bewertet als der Ministerpräsident. Nun haben sich die Prognosen schlagartig verdüstert, der Kurs dürfte nach den Abschaltungen schwer zu halten sein. Allein mit Neckarwestheim 1, überschlagen Insider, habe der Konzern zuletzt zwischen 85 und 120 Millionen Euro im Jahr verdient. Auch Mappus' Koalitionspartner FDP erwartet daher eine "Durststrecke" für die EnBW. Der geplante Wiederverkauf der Landesanteile werde sich verzögern, sagte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke: "Es macht ja keinen Sinn, die Aktien zu einem niedrigeren Preis zu verkaufen."

Bei den EnBW-Kleinaktionären zeichnet sich dem Vernehmen nach bereits ab, dass die Lust auf Kernkraft nachlässt: Sie sollen rege auf das Pflichtangebot des Landes eingehen, ihre Aktien ebenfalls zum Fixpreis von 41,50 Euro abzukaufen. SPD, Grüne, Greenpeace und der Bund der Steuerzahler sehen schon die gesamte Finanzierung des Handels in Gefahr. Das Land hat für die Übernahme eine Anleihe aufgelegt - sobald die Zinsen dafür höher ausfallen als die EnBW-Dividende, zahlt das Land drauf.

Die EnBW selbst hält die Folgen der Abschaltungen laut eines Sprechers für "nicht schwerwiegend"; gleichwohl prüfen die Hausjuristen eine Klage gegen die Anordnung des Umweltministeriums. Mappus nannte die Debatte um den Marktwert der EnBW am Donnerstag "absoluten Quatsch". Im Gegensatz zum französischen Vorbesitzer Électricité de France wolle man künftig eben nicht "einseitig" auf Kernkraft setzen.

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