Anschlag in Jakarta:"Ich dachte an ein Erdbeben"

Bei einem schweren Bombenanschlag in der indonesischen Hauptstadt sind elf Menschen getötet und mehr als 130 verletzt worden. Die australische Botschaft wurde schwer beschädigt. Die Regierungen in Jakarta und Canberra befürchten nun weitere Anschläge - in beiden Ländern stehen Wahlen an.

Auf dem breiten Boulevard vor der australischen Botschaft in Jakarta liegen brennende Autoteile, von dem Tor der Vertretung ist nur noch verbogenes Metall übrig und wenige Meter davor gähnt ein drei Meter tiefer Krater.

Menschen liegen blutverschmiert auf dem Boden. Mit Sirenengeheul kommen Krankenwagen angerast. Durch die gewaltige Explosion der Autobombe vor der diplomatischen Vertretung Canberras ist auf brutale Weise klar geworden: Indonesien ist nach wie vor im Visier des Terrors, selbst wenn es ein gutes Jahr eher ruhig war im Riesenreich der 18.000 Inseln. Aber auch Australien bangt.

Ihren Hauptverdächtigen haben Australier und Indonesier bereits ausgemacht: die radikalen Muslimextremisten der Gruppe Jemaah Islamiyah (JI).

Zwar wisse man noch nicht, wer für die Explosion verantwortlich sei. "Aber unser Verdacht richtet sich natürlich gegen Jemaah Islamiyah", sagte der australische Außenminister Downer, der noch am Donnerstag in Begleitung des Geheimdienstchefs und sieben Bombenexperten nach Jakarta reiste.

Angst vor kalkuliertem Terror wie in Madrid

Der Anschlag ereignete sich wenige Wochen vor wichtigen Wahlen in Australien und Indonesien. Während auf dem Fünften Kontinent am 9. Oktober ein neues Parlament bestimmt wird, steht in Indonesien am 20. September die Stichwahl zum Präsidentenamt an.

Australien hatte im Gegensatz zu Indonesien den Angriff der USA und Großbritannien auf den Irak unterstützt. Die Regierung in Canberra fürchtet nun den politisch kalkulierten Terrorismus nach dem Muster von Madrid.

Der Schock sitzt Yuni Sasi (27), die nahe der australischen Botschaft arbeitet, auch Stunden nach der Explosion noch in den Knochen. "Zuerst habe ich gedacht, es ist ein Erdbeben", sagt die Angestellte einer Finanzfirma. "Dann bin ich nach draußen gegangen und habe Blut gesehen und Leute, die überall von Glassplittern verletzt wurden. Es gab eine Menge Verletzter."

Allzu sehr fühlt sich der indonesische Polizeichef an die mörderischen Attentate von Bali und auf das Marriott-Hotel in Jakarta erinnert. Auf der Ferieninsel starben im Oktober 2002 bei einer verheerenden Bombenexplosion vor zwei Nachtclubs 202 Menschen, der Selbstmordanschlag auf das Luxushotel kostete im August vorigen Jahres 13 Menschen das Leben.

"Die Methode war dieselbe wie bei den Anschlägen auf Bali und beim Marriott", sagte der Polizeichef. "Diese Terroristengruppe ist immer noch in der Lage, Leute zu rekrutieren."

Als eine der führenden Experten zum Terrorismus in Indonesien ist Sidney Jones von der International Crisis Group aber vorsichtig, die Bluttat vom Donnerstag sofort JI in die Schuhe zu schieben - wenngleich das Attentat ein grelles Schlaglich auf die zahlreichen aktiven Terrorzellen wirft.

"Der Anschlag hat alle Merkmale einer Gruppe, die so trainiert worden ist wie die JI, aber man sollte nicht automatisch folgern, dass es JI auch war", sagte die Terrorexpertin. "Es könnte eine Gruppe mit einem ähnlichen Hintergrund sein, etwa eine, die mit JI trainiert hat, oder eine neu entstanden Gruppe, die einen Ausbilder der Jemaah Islamiyah angeheuert haben."

Wer immer auch Drahtzieher des Anschlags war - das trügerische Bild von Sicherheit in Indonesien haben sie abermals zerstört. Mit möglicherweise fatalen Folgen für die ohnehin lahmende Wirtschaft.

Die Börse in Jakarta sackte am Donnerstag bis um vier Prozent ab; selbst auf dem Parkett in Frankfurt sahen Händler in dem Anschlag den Grund für fallende Kurse. Kaum jemand zweifelt, dass das neuerliche Attentat es für Indonesien künftig noch schwerer machen wird, ausländische Investoren ins Land zu locken.

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