Anschlag in Ansbach:Was Duldung von Flüchtlingen bedeutet

Anschlag in Ansbach

Mitarbeiter der Spurensicherung im Flüchtlingsheim in Ansbach, in dem der Täter gewohnt hat

(Foto: dpa)
  • Der 27-jährige Syrer, der in Ansbach die Bombe zündete, kam bereits vor zwei Jahren nach Deutschland.
  • Sein Asylantrag wurde vor einem Jahr abgelehnt, weil er bereits ein erfolgreich abgeschlossenes Asylverfahren in Bulgarien durchlaufen hatte. Er lebte mit einer Duldung in Ansbach.
  • Asylanträge von Syrern werden fast nie abgelehnt. Im laufenden Jahr beträgt die sogenannte Gesamtschutzquote mehr als 98 Prozent.

Von Paul Munzinger

Der Mann sprengte sich am Sonntagabend in Ansbach in die Luft, verletzte 15 Menschen zum Teil schwer. Noch sind die Hintergründe der Tat unklar. Bekannt ist, dass der 27-jährige Syrer Mohammad D. bereits im Juli 2014 nach Deutschland kam. Sein Asylantrag wurde vor einem Jahr abgelehnt. Er lebte mit einer sogenannten Duldung in einer Asylbewerberunterkunft in Ansbach. Der Mann hatte psychische Probleme. Zweimal versuchte er, sich das Leben zu nehmen, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann noch in der Nacht. Mehrmals sei er strafrechtlich in Erscheinung getreten, es handelte sich um Drogendelikte und Nötigung.

Zahlreiche Menschen leben in Deutschland nur mit einer Duldung. Ende Juni 2016 waren es fast 170 000, davon mehr als 11 000 Syrer. "Duldung" bedeutet: Der Antrag auf Asyl ist abgelehnt, die Ausreisepflicht bleibt bestehen, die Abschiebung wird aber ausgesetzt. Der Betroffene darf vorübergehend bleiben. Eine offizielle Aufenthaltserlaubnis ist eine Duldung allerdings nicht.

Eine Duldung wird zum Beispiel ausgesprochen, wenn dem Betroffenen eine Abschiebung aus gesundheitlichen Gründen nicht zuzumuten ist. Eine anderer möglicher Grund ist, wenn die Lage im Heimatland zu unsicher ist. Bei Syrern wird derzeit fast immer so verfahren. Nur bei schwersten Straftaten - also bei Mord, Totschlag oder Vergewaltigung - finden Abschiebungen in das Bürgerkriegsland statt, sagte Innenminister Herrmann. In allen anderen Fällen sei dies aus Sicht der Bundesrepublik Deutschland angesichts der gegenwärtigen Situation in dem Land nicht vertretbar.

Eine Abschiebung nach Syrien ist zudem dann ausgeschlossen, wenn der Flüchtling zuvor bereits in einem anderen Land der EU registriert wurde. Das regelt die sogenannte Dublin-III-Verordnung. Dann wird der Betroffene in dieses Land abgeschoben. Der Ansbacher Asylbewerber war bereits in zwei EU-Staaten registriert worden: in Österreich und Bulgarien. In Bulgarien hatte er ein erfolgreich abgeschlossenes Asylverfahren durchlaufen, wie ein Sprecher des Bundesinnenministeriums auf SZ-Anfrage mitteilte. Ihm war nach Auskunft des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) dort im Dezember 2013 subsidiärer Schutz gewährt worden. Aus diesem Grund wurde sein Antrag in Deutschland abgelehnt.

Gegen eine erste Abschiebeanordnung hatte der Syrer geklagt und vor dem Verwaltungsgericht in Ansbach Recht bekommen. Das Bamf nahm die Anordnung zurück. Wie Innenminister Thomas de Maizière auf einer Pressekonferenz in Berlin sagte, seien Atteste vorgelegt worden, die dem Syrer eine labile Psyche und damit Reiseunfähigkeit bescheinigten. Die zweite erhielt er am 13. Juli, also vor knapp zwei Wochen, verbunden mit einer Abschiebeandrohung nach Bulgarien. Die zuständige Ausländerbehörde hatte das Bamf gebeten, die Möglichkeit einer Abschiebung nach Bulgarien nochmals zu prüfen.

Abschiebungen in andere EU-Staaten wurden für Syrer zuletzt de facto ausgesetzt. Dublin-Verfahren syrischer Staatsangehöriger würden "weitestgehend faktisch nicht weiter verfolgt", hatte das Bamf im August 2015 mitgeteilt. Das Asylverfahren von Mohammad D. war zu diesem Zeitpunkt längst abgeschlossen. Das Bamf lehnte seinen Antrag Anfang Dezember 2014 ab.

Voraussetzung für eine Abschiebung ist ein abgelehnter Asylantrag. Das kommt bei Syrern sehr selten vor. Die sogenannte Gesamtschutzquote beträgt im laufenden Jahr mehr als 98 Prozent. Das heißt: Fast alle Asylanträge enden mit einer Anerkennung als Asylberechtigter oder Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention, mit dem Zuspruch des sogenannten subsidiären Schutzes oder zumindest mit einer Aufenthaltserlaubnis. Abgelehnt wurden von insgesamt mehr als 171 000 in diesem Jahr entschiedenen Anträgen von Syrern nur 75. Im vergangenen Jahr waren es 23 Ablehnungen bei mehr als 100 000 Entscheidungen.

Mohammad D. gehört nicht zu diesen 23. Sein Verfahren wurde als unzulässig eingestuft, in der Statistik läuft es daher unter "sonstige Verfahrenserledigungen".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: