Indien: Anschläge von Mumbai:Bekenntnisse eines Terroristen

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Der US-Bürger und Islamist David Headley gilt als ein Drahtzieher der Attacken von Mumbai - und bezichtigt nun Pakistans Geheimdienst ISI der Mitwisserschaft. Demnach finanzierte Islamabad sogar die Vorbereitungen des blutigen Terrors.

C. Wernicke, Washington

Es waren laute und sehr schrille Warnungen. Zu schrill offenbar für Amerikas Anti-Terror-Spezialisten. Jedenfalls mochten die US-Ermittler den beiden eifersüchtigen Frauen, die getrennt voneinander an zwei Enden dieser Welt ein und denselben Ehemann als Drahtzieher eines Mordkomplotts denunzierten, keinen Glauben schenken: Polizei und FBI in New York ließen den Verdächtigen David Headley im August 2005 wieder laufen - und auch die US-Botschaft in Pakistan, die Ende 2007 ebenfalls von Headleys obskuren Machenschaften erfuhr, ging den "unspezifischen Indizien" nicht nach. Heute sitzt der US-Bürger David Headley in Chicago in Haft, angeklagt der Planung des Terroranschlags 2008 im indischen Mumbai, bei denen 166 Menschen starben.

Ein indischer Soldat vor dem brennenden Taj Mahal Hotel Ende November 2008. In der Nobelherberge hatten sich Terroristen mit Geiseln verschanzt, die Täter steckten das Gebäude in Brand. (Foto: AP)

Der Täter ist voll geständig - und belastet nun Pakistans Geheimdienst der Mitwisserschaft. Wie die britische Zeitung Guardian berichtet, gab Headley sein Wissen im Gefängnis von Chicago indischen Ermittlern weiter: Er behauptet, der pakistanische Geheimdienst ISI habe mehrere seiner Späher-Reisen nach Mumbai bezahlt und zumindest in groben Zügen von den Anschlagsplänen gewusst.

Andere Berichte von US-Medien legen den Verdacht nahe, dass Amerikas Sicherheitsbehörden versagt haben und (wie im Vorfeld der Anschläge vom 11. September 2001) unfähig waren, ein Puzzle von Indizien zusammenzulegen. Der heute 50-jährige Headley ist bereits seit 22 Jahren als Krimineller bekannt. 1988 verhaftete ihn die Drug Enforcement Agency (DEA) erstmals nach einem geplatzten Drogendeal in Deutschland. Neun Jahre später kam ihm die DEA beim Heroinhandel in Manhattan auf die Spur und setzte Headley bis mindestens 2001 für Spitzeldienste in Pakistan ein. Das schürt nun Spekulationen, die US-Behörden hätten ihren ehemaligen Informanten 2005 und 2007 vielleicht zu leichtfertig davonkommen lassen.

Seit jeher lebte David Headley in zwei Welten: Sein Vater war pakistanischer Diplomat, seine Mutter Amerikanerin aus reichem Haus. Die Eltern zogen 1960 nach Pakistan, die Ehe scheiterte bald darauf. Bis zu seinem 17.Lebensjahr wuchs der Junge - unter seinem pakistanischen Namen Daood Gilani - an einer Eliteschule in Islamabad auf, dann holte in die Mutter nach Philadelphia, wo sie eine Bar betrieb. Ihr Sohn rebellierte, scheiterte mit Geschäften und einer ersten Ehe, suchte Halt, fand den Islam.

Endgültig zum Pendler zwischen den Welten wurde Headley, nachdem die DEA ihn als Kundschafter angeheuert hatte. Ende der neunziger Jahre halfen seine Tipps, mehrere Drogenringe auszuheben. Von 2001 an nutzte er seine Reisen aber offenbar auch, um sich in Lagern der muslimischen Terrorgruppe Laskar-e-Taiba (LeT) militärisch zu schulen. Wann genau die Zusammenarbeit mit der DEA abriss, ist unklar.

Der Doppelstaatler entwickelte ein Doppelleben. 1999 war er in Pakistan eine traditionelle, von Verwandten arrangierte Ehe eingegangen. 2002 heiratete er seine langjährige Freundin in New York, später folgte eine dritte Ehe mit einer aus Marokko stammenden Medizinstudentin. Als dann zumindest zwei der drei Frauen voneinander erfuhren, drohte auch seine zunehmende Verstrickung in Pläne der LeT aufzufliegen.

In vorübergehender Haft - wegen häuslicher Gewalt

Für ein paar Stunden zumindest saß Headley am 31. August 2005 sogar in Haft, wegen häuslicher Gewalt gegenüber seiner amerikanischen Frau. Die so verbitterte wie verzweifelte Frau hatte sich gezielt an eine Anti-Terror-Einheit des FBI in New York gewandt und erzählt, dass ihr Gatte mehrmals zu Terrorschulungen am Hindukusch gewesen sei, der LeT zuneige und sich etwa um den Kauf von Nachtsichtgeräten und paramilitärischer Ausrüstung bemüht habe. Die Beamten, so heißt es heute, hätten die Anschuldigungen geprüft - und als Familiendrama verworfen.

Ähnlich endete die zweite Anzeige gegen Headley, diesmal von seiner dritten Ehefrau in Pakistan. Im Dezember 2007 hatte sich die Frau bis in die US-Botschaft in Islamabad vorgekämpft. In langen Gesprächen will sie detailliert das Doppelleben ihres Mannes als mutmaßlicher Terrorist und selbsterklärter US-Agent geschildert haben. "Es war, als würde ich schreien: 'Der Kerl ist ein Terrorist'!", sagte sie der New York Times. Angeblich leitete Washington die "ungenauen Informationen" an die Behörden in Neu-Delhi weiter. Ernst nahm die Warnungen offenbar niemand.

© SZ vom 20.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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