Anschläge in Istanbul:Bombenterror gegen Briten

Nur fünf Tage nach den Anschlägen auf zwei Synagogen in Istanbul sind bei zwei Explosionen in der türkischen Metropole 26 Menschen getötet und 500 verletzt worden. Unter den Toten ist auch der britische Generalkonsul. Die Sprengsätze detonierten vor einer britischen Bank und vor dem britischen Konsulat. Bereits kurz nach den Explosionen bekannte sich ein anonymer Anrufer im Namen al-Qaidas zu den Anschlägen.

(SZ vom 21.11.2003) - Die Selbstmordanschläge überschatteten am Donnerstag das Treffen zwischen US-Präsident George W.Bush und dem britischen Premier Tony Blair in London, bei dem es auch um den Kampf gegen den Terrorismus ging.

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(Foto: SZ-Grafik)

Nach Angaben des türkischen Justizministers Cemil Cicek wurden die Anschläge in Istanbul mit Autobomben verübt, wie sie auch bei den Anschlägen auf die beiden Synagogen am vergangenen Samstag benutzt worden waren.

Im Bankenviertel Levent sei ein geparktes rotes Auto detoniert; von der Wucht der Explosion vor dem Gebäude der Hongkong Shanghai Banking Corporation (HSBC) seien Körperteile durch die Luft geschleudert worden, meldete der Fernsehsender NTV unter Berufung auf Augenzeugen.

Bei dem Anschlag auf das britische Konsulat wurde laut einem Bericht des Fernsehsenders CNN-Turk die Mauer um den Garten zerstört. Der Sender NTV berichtete, dass der Täter einen mit Sprengstoff beladenen Lastwagen gegen die Mauer des Konsulats gefahren habe.

Die Ermittler gingen davon aus, dass es sich bei dem Sprengstoff um eine hoch explosive Mischung aus den Düngemitteln Ammoniumsulfat und Nitrat sowie anderen Beigaben gehandelt hat. Die türkischen Sicherheitskräfte wurden in höchste Alarmbereitschaft versetzt.

Der britische Außenminister Jack Straw sagte, bei den Anschlägen seien etliche Briten, Türken und Angehörige anderer Nationalitäten getötet worden. Unter den Opfern ist auch der britische Generalkonsul Roger Short, der das Konsulatsgebäude kurz vor der Explosion betreten hatte.

Einige Botschaftsangehörige noch vermisst

Mehrere Botschaftsangehörige galten als vermisst. Das Auswärtige Amt in Berlin teilte mit, es lägen derzeit keine Erkenntnisse darüber vor, ob auch Deutsche unter den Opfern seien.

Die türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, dass die Anschläge offenbar gemeinsam vom Terrornetzwerk al-Qaida und der türkischen Islamistengruppe IBDA-C verübt worden seien. Ein anonymer Anrufer habe die beiden Gruppen für die Explosionen am Donnerstagmorgen verantwortlich gemacht. Es sei eine "gemeinschaftliche Aktion" gewesen, sagte der Anrufer in dem Telefonat mit Anadolu. "Unsere Anschläge gegen freimaurerische Ziele werden weitergehen."

Der türkische Innenminister Abdulkadir Aksu erklärte, die Anschläge stünden in Verbindung mit denen auf die beiden Istanbuler Synagogen. Zu den Anschlägen vom Samstag, bei denen neben den beiden Attentätern 23 Menschen ums Leben kamen, hatte sich die al-Qaida bekannt, die Behörden haben die Prüfung der Erklärungen jedoch noch nicht abgeschlossen. Auch der Bundesnachrichtendienst (BND) sieht in der Anschlagserie einen Bezug zum Netzwerk al-Qaida. Die Anschläge in Istanbul seien offenbar hoch professionell, zeitgleich und auf symbolische Ziele wie das britische Generalkonsulat verübt worden, sagte BND-Präsident August Hanning in Pullach.

Britische Einrichtungen in der Türkei waren bereits in den vergangenen Monaten ins Visier von Terroristen geraten. So explodierte am 3.April ein kleinerer Sprengsatz vor der Visa-Abteilung des britischen Konsulats. Am 8.April war das britische Konsulat in der westtürkischen Stadt Izmir Ziel eines Anschlags.

Drei schwache Sprengsätze explodierten in der Stadt, einer von ihnen in unmittelbarer Nähe des Konsulats. Am 31. Mai schließlich gab es einen Warnschuss gegen die HSBC in Istanbul. Mehrere kleinere Explosionen ereigneten sich vor zwei Filialen der britischen Großbank, allerdings ohne schwer wiegende Folgen.

Urlauber zu Vorsicht aufgerufen

Die Türkei ist der einzige Nato-Staat mit überwiegend muslimischer Bevölkerung und zugleich ein Verbündeter der USA im Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Die Regierung in Ankara schickte Soldaten zum Kampf gegen die Taliban nach Afghanistan und öffnete den türkischen Luftraum für den Irak-Krieg. Die Türkei ist darüber hinaus ein enger Verbündeter Israels.

Nach den Anschlägen in Istanbul wurden in Berlin die Sicherheitsvorkehrungen vor der britischen Botschaft verschärft. Sicherheitsmaßnahmen vor der türkischen Botschaft seien bereits nach den Anschlägen auf die Synagogen am Samstag verbessert worden, sagte eine Polizeisprecherin. Eine erhöhte Gefahr für Anschläge in Deutschland sehen die Innenbehörden aber nicht. Das Auswärtige Amt verschärfte seine Reisehinweise für die Türkei und Urlauber rief zu besonderer Vorsicht auf.

Fahrten nach Einbruch der Dunkelheit sollten - auch auf größeren Verbindungsstraßen - vermieden, größere Menschenansammlungen umgangen werden. Führende Fluggesellschaften und Reisekonzerne kündigten an, die Sicherheitslage in Istanbul zu überprüfen. Lufthansa und British Airways wollten ihre Flüge nach Istanbul aber fortsetzen. Die Aktienmärkte in Europa reagierten am Donnerstag mit Kursstürzen auf die Anschläge in der türkischen Wirtschaftsmetropole.

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