Anschläge auf Flugzeuge:Obsession der Terroristen

Russian plane crashes in Egypt with 224 aboard

Wrackteile von Flug 9268: Haben IS-Terroristen die Maschine zum Absturz gebracht?

(Foto: dpa)
  • Es gibt mehrere Hinweise darauf, dass der Islamische Staat Flug 9268 über dem Sinai durch eine Bombe zum Absturz brachte.
  • Seit dem 11. September 2001 ist Terroristen ein solcher Anschlag nicht mehr gelungen.
  • Es wäre ein Triumph des IS über die konkurrierende al-Qaida: Er wäre endgültig auch eine global operierende terroristische Organisation.

Von Georg Mascolo

Der Tourismus wird empfindlich getroffen

Die Trümmer von Flug 9268 lagen noch unberührt auf dem Sinai, da machte sich eine Gruppe von Experten auf den Weg zur Absturzstelle. So schnell als möglich sollte herausgefunden werden, ob ein mechanischer Defekt den Airbus zerstört hatte.

Oder ob es Islamisten zum ersten Mal seit dem 11. September 2001 gelungen war, eine Maschine zum Absturz zu bringen.

Tagelang schien ein technisches Versagen die wahrscheinlichste Variante, zwei Erklärungen eines Ablegers des Islamischen Staates wurden zumindest öffentlich als unglaubwürdig beurteilt. Intern waren sich Sicherheitsexperten und Geheimdienste da schon nicht mehr ganz so sicher.

Geklärt ist die Ursache noch immer nicht, aber die Möglichkeit eines terroristischen Anschlags gilt inzwischen zumindest der britischen Regierung - und offenbar auch den Amerikanern - als wahrscheinlich. An diesem Donnerstag teilten britische Terrorismus-Experten der Bundesregierung mit, dass man von einer "hohen Wahrscheinlichkeit" ausgehe, vermutlich sei der Anschlag kurzfristig erfolgt, wegen der Luftschläge der Russen in Syrien. Abgehörte Kommunikation soll die entscheidenden Hinweise erbracht haben. Aber auch die Briten halten ein mechanisches Versagen nicht ausdrücklich für ausgeschlossen.

Endgültige Ergebnisse werden wohl noch auf sich warten lassen, die Untersuchungen laufen, und der IS-Ableger hat nur vage angekündigt, zu "gegebener Zeit" Beweise für seine Behauptung vorzulegen. Und doch hat der bisherige Befund bereits ausgereicht, dass Fluggesellschaften aus aller Welt inzwischen ihre Flüge auf den Sinai streichen, auch die Lufthansa. Der Tourismus in der Region wird empfindlich getroffen.

Die Schockwellen, die schon ein Verdacht auf einen Angriff auslöst, erklären die jahrzehntelange Obsession von Terroristen, wenn es um den Flugverkehr geht. Kein Ereignis verspricht so viel Erschrecken, Entsetzen und öffentliche Aufmerksamkeit - und nur darum geht es im Terrorismus. In den sechziger und siebziger Jahren waren es meist Entführungen, dann kamen, wie im Fall des Pan-Am-Jumbos über der schottischen Ortschaft Lockerbie, Bombenanschläge hinzu. Flugzeuge als Waffen einzusetzen war die perfideste Idee und machte den 11. September zum schwersten Anschlag der Weltgeschichte.

Auf jedes Ereignis reagierten die Staaten mit immer neuen Sicherheitsvorkehrungen, wie es sie in keinem anderen Bereich gibt: Gepanzerte Cockpit-Türen und sogar das Verbot, eine größere Menge Flüssigkeiten mit an Bord zu nehmen. Längst ist klar, dass all dies vor allem islamistische Terroristen in ihrem tödlichen Ehrgeiz weiter anstachelt. Statt auf weniger gesicherte Ziele auszuweichen, suchte vor allem al-Qaida in der Vergangenheit nach Wegen, die Sicherheitsvorkehrungen zu umgehen. Weihnachten 2009 waren es nur Passagiere, die verhinderten, dass ein Islamist auf dem Flug Amsterdam-Detroit eine selbst-laborierte Bombe zur Explosion brachte. Er hatte sie in seiner Unterhose versteckt. Es wäre der erste Selbstmordanschlag in 10.000 Meter Höhe gewesen.

Tonerkartuschen mit Sprengstoff

Ein Jahr später fielen bei Kontrollen Drucker auf, deren Tonerkartuschen mit dem schwer aufzuspürenden Sprengstoff PETN gefüllt waren. Sie waren per Luftfracht versandt worden - eine wurde am Flughafen Köln/Bonn entdeckt. Aus ihrem Ziel, Maschinen vom Himmel zu holen, macht vor allem al-Qaida keinen Hehl: Jüngst veröffentlichte sie in ihrem Magazin Inspire sogar eine seitenlange Anleitung für den Bau einer Bombe, die man im After verstecken kann. Zudem finden sich Hinweise, wie man die Flughafensicherheit umgehen soll.

Al-Qaida und der rivalisierende Islamische Staat liefern sich seit Monaten einen immer heftigeren Schlagabtausch. Es geht um die Frage, wer die weltweite Dschihadi-Szene führt. Terrorismus-Experten hatten deshalb vermutet, dass al-Qaida mit einem aufsehenerregenden Anschlag versuchen würde, verlorene Bedeutung zurückzugewinnen. Sollte sich nun als wahr herausstellen, dass der Absturz des russischen Flugzeugs auf den IS zurückgeht, wäre dies für die Dschihadis ein Triumph. Jedenfalls in deren Welt des Wahnsinns.

Erst die kommenden Tage werden Klarheit bringen, was Flug 9268 abstürzen ließ und 224 Menschen tötete. Sollte sich der Verdacht der britischen Regierung zur Gewissheit verdichten, sind die Konsequenzen gravierend: Der Tourismus in Ägypten wird einbrechen - wie zuvor nach den Terroranschlägen in Tunesien. Die daraus entstehende soziale Not wiederum wird sich der IS versuchen zu Nutze zu machen. Geklärt werden müsste zudem, ob nur unzureichende Sicherheitsvorkehrungen in Ägypten das Einschmuggeln einer Bombe erlaubten. Oder ob die Terroristen eine neue, schwer zu entdeckende Konstruktion entwickelt haben.

Vor allem aber wäre der Islamische Staat nicht mehr nur und zu allererst ein Alptraum für die Menschen in der Region. Er wäre endgültig auch eine global operierende terroristische Organisation.

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