Ende des Blockfreien-Status:Ukraine macht Weg für Nato-Beitritt frei

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Der ukrainische Premier Jazenjuk bei einer Rede im ukrainischen Parlament (Archivbild vom 11. Dezember) (Foto: dpa)
  • Die Ukraine macht mit einem Gesetz über das Ende ihres blockfreien Status den Weg für einen Nato-Beitritt frei. Dafür stimmen die Abgeordneten des Parlaments mit großer Mehrheit.
  • Ein Vertreter Russlands spricht von einem "unfreundlichen Schritt".
  • Eine neue Runde von Friedensgesprächen ist geplant: Am 24. und 26. Dezember sollen Vertreter der Ukraine, Russlands und der OSZE im weißrussischen Minsk zusammenkommen.

Parlament stimmt für Ende des blockfreien Status

Die Ukraine hat einen historischen Schritt hin zu einem Nato-Beitritt getan. Das Parlament in Kiew beschloss mit überwältigender Mehrheit, den blockfreien Status des Landes aufzuheben. Dafür stimmten 303 Abgeordnete, nur acht votierten dagegen. Kiew hatte sich unter dem Druck Russlands im Jahr 2010 dem Lager der Blockfreien angeschlossen. Damit gehörte das Land keinem Militärbündnis an. Das Gesetz muss nun von Präsident Petro Poroschenko unterzeichnet werden.

Bisher war der Status der Blockfreiheit in den Grundlagen der Innen- und Außenpolitik des Landes verankert. Diese Linie sei allerdings nicht "effektiv" für die Sicherheit des Landes, heißt es in einer Erklärung zum Gesetz. "Das lange Verharren der Ukraine in einer 'grauen' Pufferzone zwischen gewaltigen Systemen der kollektiven Verteidigung gilt als zusätzliche Herausforderung", stellt die Präsidialverwaltung in einem Text zum Gesetz fest. Die internationalen Verpflichtungen zur Achtung der Unabhängigkeit und Unantastbarkeit der Grenzen der Ukraine hätten sich als "unzureichendes Instrument" für außenpolitische Sicherheitsgarantien erwiesen.

Vor allem das Budapester Memorandum von 1994, mit dem die Ukraine gegen Garantien der USA, Russlands und Großbritanniens auf den Besitz von Atomwaffen verzichtete, habe sich als unwirksam erwiesen. Ziel sei daher die Mitgliedschaft in der Nato. Auch das vorher bereits festgeschriebene Ziel einer Mitgliedschaft in der EU wird mit der Novelle noch einmal bekräftigt. "Dies wird zur Integration in den europäischen und euro-atlantischen Raum führen", sagte Außenminister Pawlo Klimkin kurz vor der Abstimmung.

Russland spricht von "unfreundlichem Schritt"

Russland sprach umgehend von einem "unfreundlichen Schritt". Dieser werde dazu beitragen, die Beziehungen zwischen den beiden Ländern weiter zu belasten, zitierte die Nachrichtenagentur Interfax Russlands Vertreter bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Andrej Kelin.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow krritisierte den Schritt als "vollkommen kontraproduktiv". Die Entscheidung des Parlaments in Kiew trage dazu bei, "das Klima der Konfrontation weiter anzuheizen", sagte er. Es sei eine "Illusion", dass mit einem solchen Gesetz die "tiefe interne Krise" der Ukraine beigelegt werden könne. Stattdessen müsse Kiew Verfassungsreformen umsetzen, "unter Beteiligung aller Regionen und aller politischer Kräfte in der Ukraine", so Lawrow. Auch die Rebellen im Osten des Landes seien "legitime Gesprächspartner". Russlands Ministerpräsident Dmitri Medwedew hatte am Montag gewarnt, die Aufgabe des Blockfreien-Status mache die Ukraine "zu einem potenziellen militärischen Gegner Russlands".

Verhaltene Reaktion aus Brüssel

Russland beobachtet den ukrainischen Westkurs mit Argwohn. Eine Aufnahme in das transatlantische Militärbündnis würde Jahre dauern und wird von vielen einflussreichen Nato-Ländern abgelehnt. Gleichwohl stehe die Tür der Allianz offen, sagte ein Nato-Sprecher in Brüssel. "Die Ukraine wird ein Nato-Mitglied, wenn sie dies beantragt, die Standards erfüllt und die nötigen Prinzipien befolgt."

Die Regierung in Kiew und viele westliche Staaten werfen Präsident Wladimir Putin vor, die prorussischen Rebellen in der Ostukraine mit Soldaten und Waffen zu unterstützen. Russland weist dies zurück.

Friedensgespräche für Weihnachten geplant

Nach mehr als dreieinhalb Monaten Unterbrechung sollen die Ukraine-Friedensgespräche noch in dieser Woche fortgesetzt werden. Bei einem Treffen der Kontaktgruppe am Mittwoch und Freitag soll nach Auswegen aus der Krise im Donbass gesucht werden, wie das ukrainische Präsidialamt in Kiew mitteilte.

Darauf hätten sich die Staatschefs der ehemaligen Sowjetrepublik, Frankreichs und Russlands sowie Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einer Telefonkonferenz geeinigt, sagte der ukrainische Präsident Poroschenko. Dabei seien konkrete Lösungsvorschläge besprochen worden, insbesondere zum Thema Gefangenenaustausch. Die Aussichten auf eine rasche Einigung waren aber ungewiss.

Die prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine sagten umgehend ihre Teilnahme zu. Ihren Angaben zufolge sollen die Treffen in der weißrussischen Hauptstadt Minsk stattfinden.

Friedensgespräche immer wieder verschoben

Die Friedensgespräche waren immer wieder verschoben worden. Die Konfliktparteien konnten sich entweder nicht auf einen Zeitpunkt oder eine Tagesordnung einigen. Zuletzt hatte sich die Kontaktgruppe Anfang September in Minsk getroffen. Zu dem Gremium gehören auch Vertreter Russlands und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).

Bei den Gesprächen müsse es um die Einhaltung der Waffenruhe, den Austausch von Gefangenen sowie den Abzug von Artillerie und anderer Militärtechnik gehen, hatte Separatistenführer Denis Puschilin gefordert. Er verlangte zudem ein Ende der Wirtschafts- und Finanzblockade des Donbass durch die ukrainische Führung sowie einen Sonderstatus für die Region. In dem Bürgerkriegsgebiet gibt es eine brüchige Waffenruhe.

© Süddeutsche.de/dpa/Reuters - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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