Anhörung in Genf:Deutschland entschuldigt sich vor UN-Menschenrechtsrat

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Rassismus, Polizeigewalt oder Benachteiligung von Frauen: Deutschland muss sich vor dem UN-Menschenrechtsrat kritischen Fragen stellen - und räumt Fehler bei den Ermittlungen zur Terrorgruppe NSU ein.

Wie ausländerfeindlich ist Deutschland? Warum verdienen Frauen weniger als Männer? Und werden Menschen mit Behinderung hierzulande benachteiligt? Deutschlands Menschenrechtsbeauftragter, Markus Löning (FDP) stellte sich an diesem Donnerstag diesen Fragen vor dem UN-Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (UNHRC). Dabei nahm er auch zu Fehlern bei den Ermittlungen gegen den NSU Stellung: "Strafverfolgungsbehörden haben bei der Erkennung der Motive versagt und deshalb die Mörder nicht gefasst."

Bundesregierung, Bundestag und Justiz nähmen die Aufarbeitung der NSU-Mordserie sehr ernst, sagte Löning. Der Bundespräsident und die Kanzlerin hätten sich bekanntlich bereits bei den Familien der Opfer entschuldigt - auch dafür, dass mehrere Angehörige völlig zu Unrecht selbst bei den Ermittlungen verdächtigt worden waren. "Ich möchte diese Entschuldigung hier ausdrücklich vor diesem Forum wiederholen", sagte Löning.

Er reagierte damit auf einen Diskussionsbeitrag des UN-Botschafters der Türkei, Oguz Demiralp. Der Diplomat hatte vor dem Menschenrechtsrat erklärt, die drei Millionen in Deutschland lebenden Türken seien angesichts "zunehmender Ausländerfeindlichkeit" in Deutschland sowie der Mordtaten der NSU-Terroristen "in wachsendem Maße verunsichert". Die Türkei empfehle Deutschland, Maßnahmen gegen ausländerfeindliche Aktivitäten rechtsextremer Gruppierungen zu verstärken.

Der UN-Menschenrechtsrat ist nicht unumstritten

Russland warf der Bundesrepublik "Rassismus" vor. Minderheiten würden oft diskriminiert. Angesprochen wurden auch Übergriffe von Polizei und Sicherheitskräften. Deutschland müsse Verstöße gegen Menschenrechte stärker verfolgen.

Löning sagte, Deutschland begrüße die Möglichkeit zu einem "offenen und kritischen Dialog" mit der internationalen Gemeinschaft. Die Bundesrepublik sei ein Land mit "mit starken Institutionen zum Schutz, zur Förderung und zur Verwirklichung der Menschenrechte".

Der UN-Menschenrechtsrat wurde 2006 von der UN-Vollversammlung als Nachfolger der UN-Menschenrechtskommission gegründet. Seine Aufgabe ist es, die Menschenrechtslage in den 193 UN-Mitgliedsstaaten zu überwachen. Dazu gehören zum Beispiel das Recht auf Leben, Eigentum und politische Betätigung sowie Meinungs- und Glaubensfreiheit. Die 47 Ratsmitglieder können zu diesem Zweck Beobachter entsenden. Gegen die Gründung stimmten unter anderem Israel und die USA.

2012 wurde Libyen aus dem Menschenrechtsrat ausgeschlossen

Die Organisation mit Sitz in Genf ist nicht unumstritten: Jedes UN-Mitglied kann sich um einen Platz im Rat bewerben und mit einfacher Mehrheit der UN-Vollversammlung für drei Jahre gewählt werden. Voraussetzung ist ein hoher Menschenrechtsstandard. Allerdings wurden wiederholt und regelmäßig Länder wie China, Russland, Saudi-Arabien und Nigeria gewählt, in denen die Menschenrechte verletzt werden. Ein Vorwurf, der immer wieder erhoben wird, ist, dass sich umstrittene Ratsmitglieder gegenseitig schützen.

2011 war auch Libyen Mitglied des Gremiums geworden. Ein Jahr später wurde das Land aufgrund des brutalen Vorgehens des Gaddafi-Regimes gegen Aufständische von der Vollversammlung wieder aus dem Rat ausgeschlossen. Es war das erste Mal, dass das Gremium so vorging.

Anlass der Anhörung ist die Universal Periodic Review (UPR). Die Untersuchung der Menschenrechte in allen UN-Mitgliedsstaaten findet seit 2007 regelmäßig statt. Dadurch, dass alle Nationen überprüft werden, werden Diskussionen in den UN darüber vermieden, ob bestimmte Länder geprüft werden sollten.

Die Menschenrechtslage in Deutschland wurde 2009 erstmals untersucht. Die wichtigste Kritik damals war der Umgang mit Migranten und Flüchtlingen und die Diskriminierung von Minderheiten und Frauen.

Linktipp: Auf der Seite des UN-Menschenrechtsrates lässt sich die Anhörung live verfolgen. Außerdem stellt das Deutsche Institut für Menschenrechte ein Fact-Sheet zum Menschenrechtsrat zur Verfügung (PDF).

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