Anhaltende Debatte:Niedersachsen lehnt Gesundheitsreform voraussichtlich ab

Als erstes Bundesland hat Niedersachsen angekündigt, dem Gesetz im Bundesrat die Zustimmung zu verweigern. Auch aus der SPD kommen ablehnende Stimmen

Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) sagte der Bild am Sonntag: "Die FDP wird sich für eine Zustimmung zur Gesundheitsreform voraussichtlich nicht gewinnen lassen.

Christian Wulff; ap

Gebunden an den Willen des Koalitionspartners: Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff

(Foto: Foto: ap)

In diesem Fall wird sich das Landeskabinett - so sieht es der Koalitionsvertrag zwischen CDU und FDP vor - auf eine Enthaltung Niedersachsens im Bundesrat verständigen."

Der SPD-Gesundheitspolitiker Wolfgang Wodarg hält sogar eine Ablehnung der Reform durch seine Fraktion im Bundestag für möglich. "Die Mehrheit in der SPD-Fraktion ist gegen diesen Gesetzentwurf, die Abstimmung ist noch lange nicht durch", sagte Wodarg der Thüringer Allgemeinen. Die Zahl der Ablehner sei in den vergangenen Wochen weiter angestiegen.

Auch der Vorsitzende der Jungsozialisten in der SPD, Björn Böhning, zweifelt an den Umsetzungschancen der Gesundheitsreform. "Wenn die Union noch Änderungsbedarf hat, ist die einzige Lösung eine Verschiebung der Reform auf das Jahr 2010", sagte der Juso-Chef den Ruhr Nachrichten.

Rürup kritisiert Wettbewerbsverzerrungen

Alle Experten seien sich einig, dass der Gesundheitsfonds untauglich sei. "Es geht jetzt nicht mehr um die Frage, wie man das Projekt noch zum Erfolg führt, sondern wie man es beendet", sagte Böhning dem Blatt.

Auch der Vorsitzende der fünf Wirtschaftsweisen, Bert Rürup, bezweifelt, dass der geplante Fonds "wirklich in dieser Form am 1. Januar 2009 in Kraft tritt" Davor stünden nämlich noch handfeste Probleme im Zusammenhang mit dem neuen Risikostrukturausgleich - und vier Landtagswahlen im Jahr 2008."

Rürup kritisierte die Reform. Der Gesundheitsfonds werde "zu Wettbewerbsverzerrungen und damit zu einer Verschlechterung im Vergleich zum Status quo" führen, sagte Rürup dem Nachrichtenmagazin Focus. Mittelfristig müsste die Reform auf jeden Fall nachjustiert werden. Den Streit um die finanzielle Belastung einzelner Bundesländer durch den Fonds bezeichnete Rürup als Nebenkriegsschauplatz.

Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer forderte, die Gesundheitsreform bis nach der nächsten Bundestagswahl im Jahr 2009 auszusetzen. Was man momentan mit der Reform erlebe, sei der "ganz große Murks", sagte der DGB-Chef im Südwestrundfunk. Kaum jemand verstehe noch, um was es überhaupt gehe. Am besten wäre es laut Sommer, im Bundestagswahlkampf 2009 das Kopfpauschalenmodell der CDU gegen das Bürgerversicherungsmodell der SPD zur Abstimmung vorzulegen.

"Vorsichtig optimistisch"

CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer, der in den vergangenen Tagen wiederholt Kritik an der Reform geäußert hatte, warnte nun eindringlich davor, die Gesundheitsreform kaputt zu reden. "Mir geht die Gesundheitsreform viel zu viel im Gemecker unter", sagte er in der Bild am Sonntag. "Mit dieser Reform können alle Schichten und Altersklassen die Chance auf erstklassige medizinische Versorgung haben." Darin sehe er "eine große Chance".

Die CSU-Spitze will an diesem Sonntag und Montag über ihr weiteres Vorgehen beraten. Unions-Fraktionsvize Wolfgang Zöller (CSU) rechnete mit einer Einigung. "Ich sehe keine große Gefahr", sagte er.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) sagte, er habe Probleme damit, dass Bayern und die CSU den Reform-Eckpunkten zugestimmt hätten und nun "so tun, als ob sie nicht dabei gewesen wären".

Hamburgs Gesundheitssenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) sagte nach einem Spitzentreffen der Gesundheitsminister auf Unionsebene am Freitag in Berlin: "Ich bin vorsichtig optimistisch, dass es zu tragfähigen Kompromissen im Regierungslager kommen wird und die Reform wie geplant in Kraft treten kann."

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) sei offenbar bereit, auf Länderforderungen einzugehen. Dazu gehöre die Reduzierung bei Sonderopfern von Krankenhäusern und Rettungsdiensten. Strittig blieben die Regelungen zur privaten Krankenversicherung.

Warnungen vor einem Scheitern der Reform

Der Sprecher von Ulla Schmidt, Klaus Vater, hingegen sagte der dpa, es gebe auf Fachebene über den geplanten Beitrag der Krankenhäuser und die Kürzungen bei den Rettungs- und Krankenfahrten "konstruktive Gespräche. Ob es schon Ergebnisse gibt, wage ich zu bezweifeln".

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla äußerte sich optimistisch, dass der vereinbarte Zeitplan zur Verabschiedung der Gesundheitsreform eingehalten wird. "Die Reform wird am 1. April in Kraft treten", sagte er der Berliner Zeitung.

Zugleich warnte er davor, an diesem Termin zu rütteln: "Eine Verzögerung würde die geplanten Einsparungen nach hinten verschieben, was zu höheren Beitragssätzen führen würde." Das könne sich keiner leisten.

Auch die Verbraucherschützer haben vor einem Scheitern der Gesundheitsreform gewarnt. Ohne die Reform drohe ein "noch stärkerer Anstieg der Beitragssätze", sagte der Gesundheitsexperte des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, Thomas Isenberg, der Frankfurter Rundschau.

Ausdrücklich wies er darauf hin, dass das Reformwerk positive Elemente für die Beitragszahler und die Patienten enthalte. Zwar sei der Finanzierungsteil der Reform Murks, doch müsse der Rest gerettet werden, sagte Isenberg. Zu begrüßen sei vor allem die geplante Kosten-Nutzen-Bewertung von Medikamenten, da sie den Anstieg von Ausgaben und Beiträgen dämpfe.

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