Angst vor Terroranschlägen:Drohnen über Sanaa

Yemen tightens security measures around western embassies

Auf der Zufahrstraße zur US-Botschaft in Sanaa: Drohnen spähen, Sicherheitskräfte kontrollieren

(Foto: dpa)

Noch bis Ende der Woche bleiben viele amerikanische Botschaften im Nahen Osten und in Ostafrika geschlossen. Vor allem in Jemens Hauptstadt Sanaa befürchten die USA Anschläge und sorgen für Alarmstimmung. Ist das Angst vor einem neuen Bengasi? Oder eine willkommene Ablenkung vom NSA-Skandal?

Von Johannes Kuhn

Vertrauen in die Arbeit von Geheimdiensten ist ein flüchtiges Gemisch, das sich zeitweise auch in Luft auflösen kann. Die neuesten Terrorwarnungen der US-Sicherheitsbehörden sorgen bei vielen Menschen, nicht zuletzt in Deutschland, für Argwohn. Nach den jüngsten NSA-Enthüllungen ist in diversen Online-Meinungsäußerungen - je nach Stufe des Misstrauens - von einem Aufbauschen der Bedrohung bis hin zu einem gezielten Ablenkungsmanöver die Rede.

Es liegt in der derzeitigen Natur des internationalen Terrorismus, dass seine Bedrohung zur Glaubensfrage geworden ist. Seit Jahren sind die Warnungen vor möglichen Anschlägen so gegenwärtig wie ein Rauchmelder im Büro, der ab und zu schrill ertönt, ohne dass ein Feuer zu entdecken wäre. Mit einer gewissen Skepsis und Routine nimmt die Öffentlichkeit das Ritual zur Kenntnis, das der Anti-Terror-Kampf in ihrer Wahrnehmung geworden ist.

Klare Antworten über das Ausmaß der Bedrohung gibt es auch im aktuellen Fall nicht. Abgefangene digitale Kommunikation zwischen "hochrangigen Al-Qaida-Mitgliedern" deute darauf hin, dass Anschläge gegen "US-Interessen" im Nahen Osten oder Ostafrika unmittelbar vor der Ausführung stünden, heißt es. Selbst die Attentäter seien bereits ausgewählt, erklärten nicht näher genannte Sicherheitskreise in US-Medien. Über Ziel und Zeitpunkt wisse man jedoch noch nichts.

Ernsthafte Bedrohung oder gezielte Ablenkung?

"Das ist die ernsthafteste Bedrohung, die ich in den vergangenen Jahren erlebt habe", sagte der republikanische Senator Saxby Chambliss, der als Mitglied des Geheimdienstausschusses des US-Kongresses mit der Angelegenheit vertraut ist. Dies beweise auch, ergänzte er, wie wichtig die Überwachungsmöglichkeiten der NSA seien.

Mit dieser Aussage bestätigte Chambliss indirekt die ungenannten Kongressmitarbeiter, die der New York Times erklärt hatten, eine terroristische Bedrohung könne von der NSA-Affäre ablenken oder sogar das Vertrauen in die Geheimdienste stärken, wenn digital gesammelte Informationen einen Anschlag verhindern könnten.

Ob aufgebauscht oder nicht, die Reaktion Washingtons auf die Erkenntnisse ist ungewöhnlich drastisch. Noch bis Ende der Woche werden die USA zahlreiche Botschaften im Nahen Osten und in Ostafrika geschlossen halten. Dass am Montag die Vertretungen in Bagdad und Kabul wieder öffneten, hat vor allem den Grund, dass es sich bei ihnen ohnehin um Hochsicherheits-Anlagen handelt.

Die Vorkehrungen der Obama-Administration dürften auch innenpolitischen Erwägungen geschuldet sein. Immer noch kritisieren die Republikaner, dass die Regierung beim Schutz des Konsulats im libyschen Bengasi versagt habe.

Am 11. September 2012 kamen dort der US-Botschafter Christopher Stevens und drei weitere Diplomaten ums Leben. Die US-Regierung stufte den Zwischenfall erst Tage später als Terrorattacke ein.

Dieses Mal scheint nicht Libyen, sondern der Jemen im Mittelpunkt der Befürchtungen zu stehen. Zahlreiche westliche Botschaften in der Hauptstadt Sanaa waren am Montag geschlossen, darunter auch die deutsche. Augenzeugen zufolge patroullieren jemenitische Soldaten im Osten der Stadt und kontrollieren Fahrzeuge. Der Guardian zitiert Sicherheitskreise, wonach in der vergangenen Woche an Checkpunkten selbstgebaute Bomben gefunden worden seien. "Die Sicherheitskräfte glauben, dass ihre Maßnahmen für eine größere Attacke 'getestet' wurden."

Die Situation im Jemen könnte durchaus eskalieren. Das weitläufige Land bietet bereits länger für solche Islamisten eine Heimstätte, die sich der Ideologie von al-Qaida zugehörig fühlen. Was unter diesem Namen fungiert, ist allerdings weniger ein organisiertes Terrornetzwerk als eine Art Dachmarke.

Drohnen über Sanaa

Dass sich unter ihr dennoch beunruhigend viele Extremisten versammeln, hat auch mit der Zusammenarbeit des amtierenden Präsidenten Abd-Rabbu Mansur Hadi mit den USA zu tun. Als dieser vergangene Woche bei Barack Obama in Washington weilte, töteten fast zeitgleich amerikanische Drohnen drei islamistische Kämpfer.

Am Sonntag kreisten unbemannte Flugobjekte sogar über der Hauptstadt Sanaa. Was wahrscheinlich als Überwachung im Zuge der verschärften Sicherheitslage gedacht war, sorgte auf dem Boden für Furcht vor Angriffen. "Die Straßen waren menschenleer. Frauen befahlen aus Furcht ihren Kindern, im Haus zu bleiben. Männer schimpften, dass das Leben der Jemeniter so wertlos geworden sei", berichtet ein Journalist vor Ort. Die Stimmung im instabilen Land, ohnehin wenig amerikafreundlich, heizen solche Aktionen weiter auf.

Am 8. August endet der Ramadan. Sollte es bis dahin keine neuen Erkenntnisse geben, dürften in den Tagen darauf die Sicherheitsvorkehrungen langsam abgebaut werden.

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