Angst vor Terror:Kenia will Tausende Somalier abschieben

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Kenias leere Drohungen - Kommentar von Tobias Zick

Als Reaktion auf die blutigen Anschläge der islamistischen Al-Shabaab-Miliz will die kenianische Regierung das größte Flüchtlingslager der Welt schließen und Hunderttausende Menschen nach Somalia abschieben.

Von Tobias Zick, Nairobi

Als Reaktion auf den zunehmenden islamistischen Terror der somalischen Al-Shabaab-Miliz droht Kenia damit, das weltgrößte Flüchtlingslager Dadaab im Osten des Landes zu schließen. Dort leben mehr als 350 000 Menschen aus dem benachbarten Somalia. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) habe drei Monate Zeit, um die Flüchtlinge an einen anderen Ort zu bringen, andernfalls "werden wir sie selbst umsiedeln", sagte Vizepräsident William Ruto.

Schon zuvor hatte die kenianische Regierung mehrmals angekündigt, massenweise Somalier in ihre Heimat abzuschieben; mit der Begründung, diese stellten ein wachsendes Sicherheitsrisiko dar. Die islamistische Al-Shabaab-Miliz überzieht Kenia mit Anschlägen, seit kenianische Truppen 2011 in das Nachbarland einmarschiert sind. Am 2. April stürmten vier Al-Shabaab-Terroristen das Universitätsgelände der Stadt Garissa im Osten Kenias und töteten mindestens 148 Menschen.

So wie die Anschläge vom 11. September 2001 die USA verändert hätten, so werde das Massaker von Garissa Kenia verändern, sagte Ruto. "Wir müssen dieses Land sichern, egal zu welchem Preis." So habe Kenia mit dem Bau einer 700 Kilometer langen Mauer entlang der Grenze zu Somalia begonnen, um ein Eindringen der al-Shabaab zu verhindern. Am Sonntagmorgen starb bei einer Massenpanik auf einem Campus nahe Nairobi ein Student, mehr als hundert Menschen wurden verletzt. Nach der Explosion eines defekten Stromtransformators waren zahlreiche Studenten aus Angst vor einem Attentat aus den Fenstern ihres Wohnheims gesprungen.

Am Mittwoch vergangener Woche hatte die kenianische Regierung mehrere Firmen geschlossen, die von Somaliern im Ausland genutzt werden, um ihren Angehörigen Geld zu schicken. Kritiker bezeichnen solche Maßnahmen als "kollektive Bestrafung", die mehrheitlich Unschuldige treffe und dadurch die Gefahr der Radikalisierung von Muslimen im Land stetig vergrößere. Als Beleg dafür gilt die Tatsache, dass mindestens einer der Attentäter von Garissa gebürtiger Kenianer war.

Kritiker warnen davor, dass eine Massenabschiebung sowohl gegen Völkerrecht als auch gegen kenianisches Recht verstoße. Leslie Lefkow von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sagte: "Anstatt Flüchtlinge zu Sündenböcken zu machen, ist Kenia rechtlich verpflichtet, diese zu schützen, bis es für sie sicher ist, nach Hause zurückzukehren."

Lars Oberhaus, Büroleiter Somalia für die humanitäre Hilfe der Europäischen Union, sagte der Süddeutschen Zeitung: "Somalia erholt sich nur sehr langsam von Hungersnot und Dürre, außerdem dauert der Krieg im Land an." Drei Millionen Menschen in Somalia seien für ihr Überleben auf Hilfe von außen angewiesen. Eine massenhafte Bevölkerungsbewegung könnte alle Fortschritte im Land zunichte machen, so Oberhaus - und dadurch Hungersnöte und Flüchtlingsströme auslösen, von denen die gesamte Region betroffen wäre. "Das wiederum dürfte kaum im Interesse Kenias liegen."

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