Angst vor einem Krieg:Wie die USA und Russland hinter den Kulissen noch miteinander sprechen

Angst vor einem Krieg: Vertreten Russland und die USA bei den Vereinten Nationen: Wassili Nebensja und Nikki Haley.

Vertreten Russland und die USA bei den Vereinten Nationen: Wassili Nebensja und Nikki Haley.

(Foto: AFP)
  • Ein möglicher Angriff der USA, Frankreichs und Großbritanniens auf Ziele in Syrien hat Sorgen vor einer direkten militärischen Konfrontation der Amerikaner mit der Atommacht Russland geweckt.
  • Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensja sagt, er könne einen Krieg zwischen den USA und seinem Land "nicht ausschließen".
  • Tatsächlich sprechen die Länder aber noch auf Generalstabsebene miteinander.
  • Es gibt eine Standleitung zwischen dem russischen und dem amerikanischen Militär, um Zwischenfälle in Syrien zu vermeiden.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Ein möglicher Angriff der USA, Frankreichs und Großbritanniens auf Ziele in Syrien hat Sorgen vor einer direkten militärischen Konfrontation der Amerikaner mit der Atommacht Russland geweckt. Seit Donald Trumps Tweet vom Mittwoch, in dem er mit einem Raketenangriff auf Syrien drohte, wächst die Angst vor einem großen Krieg. Befeuert hat sie Russlands Botschafter bei den Vereinten Nationen, Wassili Nebensja. Er sagte, einen Krieg zwischen den USA und seinem Land "kann ich nicht ausschließen". Andererseits zitierte ihn die Nachrichtenagentur Reuters mit der Aussage, Priorität müsse sein, einen solchen Krieg abzuwenden.

Moskau hatte den UN-Sicherheitsrat angerufen, nachdem der US-Präsident am Mittwoch Russland aufgefordert hatte, sich bereitzuhalten für "schöne, neue und intelligente Raketen". Im Sicherheitsrat warf US-Botschafterin Nikki Haley dem syrischen Militär vor, in den letzten sieben Jahren 50 Mal chemische Waffen eingesetzt zu haben. UN-Generalsekretär Antonio Guterres warnte vor einer "ausgewachsenen militärischen Eskalation". Trump und seine Verbündeten erwägen, mit einem Militärschlag auf einen neuen mutmaßlichen Chemiewaffenangriff zu reagieren, den sie dem Regime von Präsident Baschar al-Assad anlasten. Das Außenministerium meldete am Abend, man habe den Beweis, dass der Angriff durch die syrische Armee erfolgt sei.

Wolfgang Ischinger, Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, zeigte sich trotzdem überrascht, wie schnell Menschen sich in Kriegsangst versetzen ließen. Vergleiche mit dem Kalten Krieg seien falsch. "Wer solche Vergleiche heranzieht, eskaliert verbal und schafft Ängste, die aus meiner Sicht unbegründet sind", sagte er dem Deutschlandfunk.

US-Verteidigungsminister James Mattis führte im Repräsentantenhaus aus, sein Ziel sei zu verhindern, dass der Konflikt "auf strategischer Ebene außer Kontrolle gerät". Frankreichs Präsident Emmanuel Macron betonte, Paris habe kein Interesse an einer Eskalation. Syriens Verbündete seien keine Ziele. Russlands Marine ließ ihre Schiffe aus dem syrischen Hafen Tartus ins Mittelmeer auslaufen; eine "normale Maßnahme" zum Schutz vor einem drohenden Angriff, hieß es in Moskau.

Es gibt eine Standleitung zwischen dem russischen und dem amerikanischen Militär, um Zwischenfälle mit Kampfjets im syrischen Luftraum und versehentlichen Beschuss von Bodentruppen zu vermeiden. Eingerichtet wurde sie 2016 nach Russlands Intervention, genutzt wird sie trotz der Spannungen bis heute. Sie verbindet den Kommandostand des russischen Stützpunkts Khmeimim nahe der syrischen Hafenstadt Latakia mit dem Hauptquartier der US-Luftwaffe für den Nahen Osten auf dem Militärflughafen al-Udeid in Katar. Hohe Offiziere setzen sich via Dolmetscher mit einem zeitlichen Vorlauf von wenigen Stunden gegenseitig über geplante Operationen in Kenntnis.

Je größer der Militärschlag, desto höher das Risiko von Fehlern

Die USA informierten Russland auf diesem Wege etwa über den bevorstehenden Angriff mit Marschflugkörpern auf den syrischen Stützpunkt Schayrat im April 2017; etwa 100 russische Soldaten waren damals dort stationiert. Auch sicherte sich das US-Militär bei den Russen ab, bevor es im Februar einen Angriff auf einen Stützpunkt bei Deir al-Sour zurückschlug. Die Russen versicherten, keine Soldaten in der Gegend zu haben. Später wurde klar, dass mindestens 13 Russen getötet worden waren - Söldner, die für die "Gruppe Wagner" in Syrien waren, eine private Militärfirma, die eng mit dem russischen Geheimdienst GRU verbunden ist.

Die Standleitung bietet aber keine Garantie, dass es nicht doch zu unbeabsichtigten Zwischenfällen kommt. Im September 2016 bombardierten Kampfjets und Drohnen der US-geführten Anti-IS-Koalition bei Deir al-Sour eine Einheit der syrischen Armee. Laut dem US-Untersuchungsbericht war der Einsatz Russland vorab gemeldet worden. Der US-Offizier gab aber einen falschen Bezugspunkt durch. Russland machte die USA 57 Minuten nach Beginn der Angriffe auf den Fehler aufmerksam; vier Minuten später stellten die das Feuer ein. Da waren jedoch bereits viele syrische Soldaten tot.

Je umfangreicher ein Militärschlag ausfällt, desto höher ist das Risiko, dass es zu Fehlern kommt. Überdies verlegt die syrische Armee Flugzeuge und Einheiten in die Nähe russischer Truppen und stellt sie unter den Schutz der russischen Luftabwehr. Kommandeure beider Länder würden sich zweifellos bei ihren Regierungen rückversichern, bevor sie gezielt Truppen des anderen Landes ins Visier nehmen. Die Präsidenten können sich eine solche Entscheidung vorbehalten. Zugleich gibt es laut der russischen Zeitung Kommersant Kontakte auf Generalstabsebene. Frankreichs Präsident Macron sagte, er stehe in regelmäßigem Kontakt mit Wladimir Putin; und der Kreml-Chef habe jüngst auch mit Donald Trump telefoniert, sagte Außenminister Sergej Lawrow.

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