Angriffe in Deutschland:26 Anschläge auf Moscheen in acht Wochen

Ein Brandanschlag auf eine Berliner Moschee im Jahr 2018. Seitdem haben islamfeindliche Attacken abgenommen.

In Berlin gab es erst vor wenigen Tagen einen Brandanschlag auf eine Moschee.

(Foto: Paul Zinken/dpa)
  • In nur einer Woche wurden in zwei Moscheen und in einen türkischen Verein Brandsätze geworfen.
  • Damit hat es in den vergangenen zwei Monaten 26 Attacken auf Moscheen in Deutschland gegeben. 18 davon waren Ditib-Moscheen.
  • Im Netz tauchte zu einem der Anschläge ein Bekennervideo auf, das von kurdischen Extremisten zu sein scheint. Doch ob sie tatsächlich die Täter sind, daran gibt es noch Zweifel.

Von Ronen Steinke, Berlin

Seit Wochen schon leiden muslimische Gemeinden in Deutschland unter einer Serie von Anschlägen. In dieser Woche hat die Gewaltwelle einen Höhepunkt erreicht: Brandsätze flogen in eine Moschee in Berlin-Reinickendorf, in einen türkischen Verein in Meschede in Nordrhein-Westfalen und in einen türkischen Gemüseladen in Itzehoe in Schleswig-Holstein. In den vergangenen zwei Monaten gab es 26 Attacken auf Moscheen in Deutschland, 18 davon waren Ditib-Moscheen. Nach einer Attacke mit Molotow-Cocktails auf ein Gebäude der Islamischen Gemeinde Milli Görüs in Lauffen am Neckar tauchte im Netz ein Bekennervideo auf, das von kurdischen Extremisten zu stammen scheint: Man habe die Tat aus "Rache für die Angriffe der türkischen Besatzerarmee" und die "massenhafte Tötung von Zivilisten" in der kurdisch-syrischen Stadt Afrin verübt.

Dort war die türkische Armee am 20. Januar einmarschiert. Die türkische Regierung, die ohnehin der Auffassung ist, Deutschland tue zu wenig gegen kurdische Extremisten, bestellte in Ankara den deutschen Botschafter ein. Im Netz rufen türkische Nationalisten unter dem Hashtag #Nöbetteyiz zum nächtlichen Patrouillieren vor deutschen Moscheen auf. "Wir halten Wache", bedeutet das. Die Opfer freilich, die derzeit um die Sicherheit in ihren Gebetshäusern oder Vereinen fürchten, sind nicht unbedingt Nationalisten. "Derzeit verstärkt sich bei Muslimen das zutiefst ungute Gefühl, als würden die Politik und die Öffentlichkeit ihre Sorgen um die eigene Sicherheit und die ihrer Moscheen überhaupt nicht wahrnehmen", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Ditib, des Zentralrats der Muslime und des Islamrats.

Die plötzliche Häufung der Brandanschläge ist so groß, dass es eine ordnende Hand dahinter vermuten lässt. Im Internet finden sich einzelne Aufrufe zur Gewalt, die PKK-nahe Seite "Nûçe Ciwan" etwa (Radikaler Junger Blick) forderte zu Angriffen gegen türkische Einrichtungen und Büros von SPD und CDU auf. In deutschen Sicherheitskreisen nimmt man jedenfalls an, dass solche jungen Gruppen es kaum wagen würden, "ohne das ,Go' der PKK-Führung loszuschlagen". Die kurdische Arbeiterpartei PKK, die nach einer Welle von Anschlägen in Deutschland seit 1993 als Terrororganisation verboten ist, gilt als straff organisiert.

Andererseits: Eine ordnende Hand aufseiten des deutschen Staates, die diese Anschlagsserie aufklärt, gibt es bislang nicht. Es ist noch kein Täter überführt. Die Tatorte sind über die Republik verstreut. Die Ermittler sind es auch. Bei den meisten Taten hat sich niemand für verantwortlich erklärt, und dort, wo es Hinweise gibt, sind diese teils dünn. Nach Brandanschlägen auf zwei türkische Geschäfte in Garbsen bei Hannover fand die Polizei in der Nähe des Tatorts - aber nicht zwingend mit Bezug dazu - handschriftliche Zettel mit der Aufschrift "G.L. Afrin".

Es gibt Gründe, vorsichtig zu sein mit der Kurden-Theorie

Bislang ermittelt jedes Bundesland für sich, niemand führt die Spuren zentral zusammen. Der Sprecher des Innenministeriums verurteilte "die Vorkommnisse aufs Schärfste". Aber weder hat das Bundeskriminalamt (BKA) - zuständig für länderübergreifende Verbrechensserien - sich eingeschaltet. Noch hat das Bundesamt für Verfassungsschutz - zuständig für länderübergreifenden Extremismus - die Gewaltserie zu seinem Thema gemacht. Beide verwiesen auf Nachfrage darauf, dass erst die zuständigen Landesbehörden am Zug seien. Es ist kein Geheimnis, dass gerade in den vergangenen Wochen intensiv darüber debattiert worden ist, ob nicht der Bundesverfassungsschutz in solchen Situationen mehr Macht zum Koordinieren erhalten sollte. Die Länder waren dagegen. Aber so fragen sich nun Opfer, ob die Sicherheitsbehörden auch so ruhig wären, wenn die Molotow-Cocktails auf Kirchen geflogen wären - vor allem, da im Hintergrund die Frage lauert, ob die Theorie vom kurdischen Terrorismus überhaupt durchgehend stimmt.

Einstweilen gibt es Gründe, damit vorsichtig zu sein. Nicht nur, weil auch auf der linksradikalen Internetplattform indymedia.org - nicht zu verwechseln mit der im vergangenen Jahr verbotenen Seite linksunten.indymedia - ein Bekennerschreiben aufgetaucht ist. Bislang werde "nicht ausgeschlossen, dass auch rechtsmotivierte Täter unter Vortäuschung einer anderen Motivation" unterwegs seien, heißt es beim BKA. Im Jahr 2017 zählte die Bundesregierung 60 Anschläge auf Moscheen und sonstige islamische Einrichtungen. Wie sich herausstellte, waren die Täter in fast allen Fällen Rechtsextreme. Als im vorigen Jahr die Spannungen zwischen Kurden und Türken in Deutschland schon einmal hochkochten, blieben Gebetshäuser als Gewaltziele fast immer tabu.

Dass Ausländerfeinde hinter zumindest einzelnen Taten stecken könnten, bleibt auch dort denkbar, wo anderslautende Bekennerschreiben gefunden worden sind. Als 2016 eine Rohrbombe vor einer Dresdner Ditib-Moschee explodierte, tauchte zwei Tage später eine Selbstbezichtigung auf einer Antifa-Webseite auf. Der wahre Täter aber war ein Pegida-Anhänger. Vor vier Wochen hat er im Gericht ein Geständnis abgelegt. Beim Anschlag auf den BVB-Bus im vergangenen April gab es sogar drei Bekennerschreiben: ein islamistisches, das das Ende der Tornado-Aufklärung über IS-Gebiet und die Schließung des US-Luftwaffenstützpunktes Ramstein forderte, ein linksradikales, das den Bus als "Symbol für die Politik des BVB" bezeichnete, der sich nicht genügend gegen "Nazi_innen" einsetzen würde, und ein rechtsextremes. Falsch waren alle drei.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: