Angriff auf Koalitionspartner:Steinmeier stänkert gegen die Union

Inhaltsleer agiere die Union, die CSU gebärde sich wie ein "pubertierender Halbstarker": SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier bringt sich für den Wahlkampf in Stellung - mit heftigen Attacken gegen den Koalitionspartner. Die Union ist dagegen vor allem mit sich selbst beschäftigt.

Bei seinem Auftritt am Freitagabend in der Hamburger Handelskammer hatte sich SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier mit Angriffen auf die CDU/CSU noch zurückgehalten - einen Tag später, auf den Parteitagen der SPD Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg in Zerbst und Singen, ging er dann in die Offensive: Unter anderem warf er der Union eine inhaltsleere Politik vor.

Angriff auf Koalitionspartner: Angriffslustig: SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier

Angriffslustig: SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier

(Foto: Foto: AP)

Bei CDU/CSU herrsche gegenwärtig ein regelrechtes "Tohuwabohu", sie führe längst nicht mehr die Regierung. Vor allem die CSU gebärde sich wie ein "pubertierender Halbstarker", so der Vizekanzler und Außenminister.

Steinmeier kritisierte zudem erneut die CSU-Steuerpläne - und mokierte sich darüber, dass die CSU die vergangene Woche auch noch damit verbracht habe "zu zählen, ob Franken im Verhältnis zu Niederbayern angemessen im Kabinett vertreten sind, um am Ende den Bundeswirtschaftsminister abzuschießen".

Scharf griff Steinmeier die Union auch für ihre Haltung zum gesetzlichen Mindestlohn an. Es müsse Gesetz in Deutschland werden, "dass man von Vollzeitarbeit auch leben kann". Es sei nicht hinnehmbar, dass es immer noch Arbeitsverhältnisse mit Stundenlöhnen von vier Euro gebe.

Steinmeier betonte, dass das gerade verabschiedete Konjunkturpaket eine sozialdemokratische Handschrift trage: Steuererleichterungen für kleine Einkommen und Hilfen für die Automobilindustrie, von der jeder sechste Arbeitsplatz abhänge, seien gegen die Union durchgesetzt worden.

"Gemeinsame Strategie"

Die Union rüstet sich ebenfalls für den Wahlkampf: Vor allem wollen sich CDU und CSU wieder geschlossener präsentieren. "Wir haben eine gemeinsame Strategie für die nächsten Monate, für die Bundestagswahl und die Europawahl. Es beginnt jetzt eine Epoche der Gemeinsamkeit", sagte CSU-Chef Horst Seehofer dem Spiegel. Ungeachtet dessen hält allerdings der Streit in der Union über eine Steuerreform als zentrales Wahlkampfthema an.

Die Parteispitzen von CDU und CSU wollen bis Ende Mai ein gemeinsames Programm zur Bundestagswahl erarbeiten. Kernpunkt soll ein Konzept für eine Steuerreform sein. Dies sei bei einem Treffen der Unionsspitzen vorige Woche im Kanzleramt vereinbart worden, berichtete der Spiegel. Ein gemeinsames Steuerkonzept soll bis Ostern stehen.

Hamburgs Regierungschef Ole von Beust warnte die Union allerdings davor, im Bundestagswahlkampf wie bisher geplant Steuersenkungen zu versprechen. Die Union sollte "auf jegliche Andeutung verzichten, in absehbarer Zeit könnten Steuern sinken", sagte der CDU-Politiker im Hamburger Abendblatt vom Samstag. Die Konjunkturprogramme brächten enorme neue Staatsschulden. Zudem sei unsicher, wie lange die Wirtschaftskrise dauere. "Da kann man im Wahlkampf keine Steuererleichterungen versprechen", sagte von Beust.

Auch der Fraktionschef der Union im Bundestag, Volker Kauder, mahnte zu mehr Geschlossenheit. Anders werde die Union ihr Wahlkampfziel nicht erreichen. Als vertrauenswürdig gelte bei den Menschen, "wer als Partei nach außen hin geschlossen auftritt", sagte er dem Tagesspiegel am Sonntag laut Vorabbericht. Der CDU-Politiker räumte ein, dass die Union in den vergangenen Monaten kein gutes Bild abgegeben habe.

Unionsinterne Debatten hätten zu "Irritationen in der Öffentlichkeit" geführt. Gestritten wurde unter anderem über das Vorgehen in der Wirtschaftskrise, ebenso über Steuersenkungen.

Rückendeckung für Merkel

Seehofer nahm unterdessen CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel gegen Kritik aus den eigenen Reihen in Schutz. Den Vorwurf, die Union leide angesichts vieler Kompromisse in der großen Koalition mit der SPD an Profillosigkeit, teile er so nicht mehr. "Durch die klare Haltung der Kanzlerin zur Steuer- und Abgabensenkung etwa bin ich jetzt beruhigt", sagte Seehofer.

Gleichzeitig pocht die CSU weiterhin auf ein eigenes Profil, etwa im Europawahlkampf mit der Forderung nach Volksabstimmungen zu wichtigen europäischen Fragen. "Es wird dieses oder auch jenes Thema geben, wo wir so unterwegs sind und die CDU anders", sagte Seehofer. CSU-intern forderte der Parteichef laut Focus von Merkel und der CDU mehr Unterstützung für den Kurs der bayerischen Schwesterpartei, da ohne ein starkes Bayern-Ergebnis die Union insgesamt bei der Bundestagswahl um die Kanzlerschaft fürchten müsse.

Die CSU will allerdings in Bayern künftig nicht mehr mit dem erklärten Ziel einer absoluten Mehrheit in Wahlen gehen. "Solche Prozentdiskussionen lassen wir künftig. Das mögen die Menschen nicht mehr hören", sagte Seehofer. Er habe sich früher selbst an solchen Debatten beteiligt, aber das sei ein Fehler gewesen. Bei der Landtagswahl im vorigen September war die CSU auf 44 Prozent abgestürzt und hatte nach mehr als vier Jahrzehnten die Alleinherrschaft im Freistaat verloren.

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