Angriff auf Bürgermeister im Sauerland:"Ich wollte mit dem Messer weder schneiden noch stechen"

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Hagen: Ein Aktenordner liegt beim Prozess wegen versuchten Mordes im Landgericht auf einem Tisch. (Foto: dpa)
  • Der 56-jährige Werner S. steht in Hagen vor Gericht, weil er vor einem halben Jahr den Bürgermeister von Altena Andreas Hollstein mit einem Messer angegriffen hat.
  • Zum Prozessauftakt entschuldigt sich der Angeklagte. Er weist jede Tötungsabsicht zurück.
  • Auch ein fremdenfeindliches Motiv bestreitet S.

Mit einem Geständnis und einer Entschuldigung des Angeklagten hat in Hagen der Prozess um die Messerattacke auf den Bürgermeister von Altena im Sauerland begonnen. Allerdings bestreitet der Angeklagte vehement jegliche Tötungsabsicht und fremdenfeindliche Motivation.

Der CDU-Politiker Andreas Hollstein war am 27. November 2017 in einem Imbiss in seiner Heimatstadt angegriffen und am Hals verletzt worden. Die Staatsanwaltschaft legt dem 56-jährigen Werner S. versuchten Mord aus niedrigen Beweggründen, gefährliche Körperverletzung und Bedrohung zur Last.

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Der Bürgermeister einer Kleinstadt setzt sich für Flüchtlinge ein - und wird Opfer einer Messerattacke. Die Menschen in Altena wurmt es, dass ihre Heimat wegen der Bluttat in die Schlagzeilen gerät.

Von Christian Wernicke

S. räumte am Dienstag ein, die Tat begangen zu haben. Allerdings habe er den Bürgermeister weder töten noch verletzen wollen. "Er sollte wie ich Angst und Ausweglosigkeit fühlen", hieß es in einer vom Verteidiger vor Gericht verlesenen Erklärung. "Er sollte spüren, wie das ist, wenn man nicht weiß, ob man noch weiterleben kann."

Der Angeklagte befand sich nach eigenen Angaben im Herbst 2017 in einer desaströsen persönlichen Lage. Nach der Trennung von seiner Frau habe er außerdem seine Arbeitsstelle verloren. Er sei depressiv geworden und schließlich völlig verwahrlost, hieß es in der Erklärung weiter. Als er den Bürgermeister in dem Imbiss gesehen habe, habe er spontan beschlossen, dem Politiker Angst einzujagen.

"Ich wollte mit dem Messer weder schneiden noch stechen", hieß es in der Erklärung des Angeklagten. Er habe den Angriff auf Hollstein keineswegs geplant, sondern sich "ganz spontan" zu der Tat entschlossen. Die Tatwaffe, ein Küchenmesser mit einer 22 Zentimeter langen Klinge, habe er nicht nur am Tattag mit sich geführt - er habe die Waffe in der Regel bei sich gehabt, weil er Angst vor Menschen habe.

Der Bürgermeister der sauerländischen Kleinstadt hatte die Attacke mit zwei Helfern abwehren können. Bei der Tat schrie der Angeklagte den Bürgermeister mit den Worten an: "Ich steche dich ab - du lässt mich verdursten und holst 200 Ausländer in die Stadt."

Die Stadt Altena zählt zu den Kommunen, die mehr Flüchtlinge aufgenommen hat, als sie hätte aufnehmen müssen. Die Anklage wirft S. fremdenfeindliche Motive vor. Der Angeklagte weist das zurück. Er habe kurz vor der Tat erfahren, dass die Stadt Altena freiwillig 200 Flüchtlinge aufnehmen wolle. Dies habe er als ungerecht empfunden. "Hätte ich aber gelesen, dass der Bürgermeister 200 Deutsche unterstützen will, hätte sich mein Zorn auch dagegen gerichtet."

Für den Prozess setzt die Hagener Strafkammer noch weitere sechs Verhandlungstage bis zum 19. Juni an. Das Verfahren wird am 1. Juni mit der Zeugenvernehmung von Bürgermeister Hollstein fortgesetzt. Bei einem Schuldspruch droht S. eine lange Haftstrafe.

Das Attentat auf den Altenaer Stadtchef hatte bundesweit Entsetzen ausgelöst. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und weitere Spitzenpolitiker reagierten seinerzeit mit Bestürzung auf den Anschlag. Er erinnerte an das Attentat eines Rechtsextremisten auf die Kölner Bürgermeisterin Henriette Reker. Nur zwei Wochen vor Prozessbeginn wurde Freiburgs designierter Oberbürgermeister Martin Horn unmittelbar nach seiner Wahl von einem Schläger angegriffen.

© SZ.de/dpa/afp/jsa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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