Angela Merkel:"Die Welt wartet nicht auf uns"

Die geschäftsführende Bundeskanzlerin verspricht in ihrer Neujahrsansprache eine zügige Regierungsbildung. Außerdem ruft sie zu mehr Zusammenhalt auf - und schlägt selbstkritische Töne an.

Von Mike Szymanski

BerlinBundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat in ihrer 13. Neujahrsansprache selbstkritische Töne angeschlagen und zu mehr Zusammenhalt in der Gesellschaft aufgerufen. "Schon lange gab es darüber nicht mehr so unterschiedliche Meinungen. Manche sprechen gar von einem Riss, der durch unsere Gesellschaft geht", sagte Merkel. Ausführlicher als in früheren Reden ging sie auf jene in der Gesellschaft ein, die mit den Umständen haderten, die nicht in Deutschland nur ein "wunderbares Land" sehen würden. "Die anderen sagen: Es gibt zu viele Menschen, die an diesem Erfolg nicht teilhaben. Die nicht mit dem Tempo unserer Zeit mitkommen. Die sehen, dass es ihre Kinder in die Großstädte zieht und sie allein bleiben, in Gebieten, in denen vom Einkauf bis zum Arztbesuch der Alltag immer schwieriger wird. Die sich sorgen, dass es zu viel Kriminalität und Gewalt gibt. Die sich fragen, wie wir die Zuwanderung in unser Land ordnen und steuern können." Erfolg und Zuversicht, aber auch die Ängste und die Zweifel bezeichnete sie als "Realitäten" in Deutschland. Merkel sagte zu, Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen, die Digitalisierung voranzutreiben, Familien finanziell zu entlasten, sich für gute Pflege und gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land einzusetzen.

In ihrer Rede versprach sie auch, sich für ein rasches Ende der Hängepartie bei der Regierungsbildung einzusetzen. "Denn die Welt wartet nicht auf uns", sagte Merkel. Zum ersten Mal hielt sie eine Neujahrsansprache als geschäftsführende Kanzlerin. Nach dem Scheitern der Jamaika-Gespräche musste sie die Bürger mit dem Gefühl der Ungewissheit, wer das Land künftig regiert, ins neue Jahr schicken. Am 7. Januar beginnen die Sondierungen von Union und SPD.

Die Politiker hätten den Auftrag, sich um die Herausforderungen der Zukunft zu kümmern und die Bedürfnisse aller Bürger im Auge zu haben. "Diesem Auftrag fühle ich mich verpflichtet - auch und gerade bei der Arbeit daran, für Deutschland zügig eine stabile Regierung zu bilden", sagte Merkel. Spätestens Anfang April muss aus Sicht von CSU-Chef Horst Seehofer die neue Regierung stehen. "Ostern ist der allerspäteste Zeitpunkt." Auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) drängt zu einer zügigen Koalitionsbildung. "Lieber früher als später, das ist klar", sagte er dem Tagesspiegel am Sonntag.

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