Angela Merkel:Die Gefährten der Kanzlerin

Angela Merkel: Bundeskanzlerin Angela Merkel umarmt Annegret Kramp-Karrenbauer, die neue Generalsekretärin der CDU.

Bundeskanzlerin Angela Merkel umarmt Annegret Kramp-Karrenbauer, die neue Generalsekretärin der CDU.

(Foto: AFP)

Zum vierten Mal zur Kanzlerin gewählt - das schafft niemand im Alleingang. Auch die mächtigste Frau Deutschlands braucht Vertraute. Einige sind seit Jahrzehnten an ihrer Seite, andere vergleichsweise neu dabei. Eine Übersicht.

Von Stefan Braun und Robert Roßmann, Berlin

Angela Merkel ist gerade zum vierten Mal zur Kanzlerin gewählt worden. Das schafft niemand im Alleingang. Wer sind die, die ihr zur Seite stehen? Nicht alle sieht man vorne auf der Bühne; so manche agiert hinter den Kulissen. Einige sind ewig dabei, andere neu dazugekommen. Ein Überblick über Merkels Truppe.

Innerster Zirkel

Zwei Frauen sind für Merkel seit Jahrzehnten unverzichtbar: Beate Baumann und Eva Christiansen. Wer die 54-jährige Baumann nicht kennt, würde sie nicht für wichtig halten - so unscheinbar, zurückhaltend, leise tritt die Frau auf, die seit mehr als zwanzig Jahren Merkels Büro leitet. Hinter der freundlichen Fassade kann freilich eine sehr strenge Verteidigerin ihrer Chefin aufblitzen.

Merkel und Baumann sind sich nicht nur in den meisten Sachfragen einig. Sie teilen auch zentrale Überzeugungen. Dazu gehört die unverbrüchliche Solidarität zu Israel, dazu gehört ein unbeirrt kritischer Blick auf Autokraten wie Wladimir Putin oder Recep Tayyip Erdoğan. Und dazu gehört eine generelle Skepsis gegenüber großen Politikentwürfen. Die "schwäbische Hausfrau" als Synonym für Merkels Vorsicht während der Weltfinanzkrise haben die beiden gemeinsam entworfen.

Am engsten zu diesem Duo gehört Eva Christiansen. Sie ist seit 1998 an Merkels Seite. Während Baumann so gut wie nie auftritt, ist die 47-Jährige eine halb-öffentliche Erscheinung. In Merkels heikelster Zeit - als sie den CDU-Spendenskandal bewältigen musste und sich im parteiinternen Machtkampf durchsetzen konnte - war Christiansen die Pressesprecherin. Mit dem Einzug ins Kanzleramt änderte sich ihre Rolle. Nach einer Babypause wurde sie zur Chefkoordinatorin von Merkels Auftritten. Sie berät die Kanzlerin, wann und wo sie politische Botschaften senden und wie sie auf Krisen reagieren soll. Anders als Baumann, die nur sehr gewählt Kontakte pflegt, ist Christiansen seit vielen Jahren auch die Chefinterpretin Merkels gegenüber Journalisten. Eines aber macht sie bis heute so gut wie nie: Interviews geben.

Zum diesem engsten Kreis gehört auch Merkels Mann, der Naturwissenschaftler Joachim Sauer. Der 68-Jährige nimmt die Rolle des Kanzlerin-Gatten nur selten und ausgewählt an - bei den Bayreuther Festspielen zum Beispiel oder beim Grillen mit dem US-Präsidenten. Ansonsten lebt er meist sein eigenes Leben. Trotzdem ist Sauers Rolle als Berater Merkels größer als viele denken. Alles spricht dafür, dass sich die beiden in grundsätzlichen Fragen intensiv austauschen. Überdies bleibt eines in Erinnerung: Ihre erste politische Krise erlebte Merkel in der Wendezeit, als Sprecherin des Demokratischen Aufbruchs (DA). Als DA-Chef Wolfgang Schnur als IM enttarnt wurde, war es Sauer, der für Merkel den Text zum Rücktritt mitformulierte. So was würde heute nicht mehr passieren. Aber es erzählt viel über das Verhältnis der beiden.

Annegret Kramp-Karrenbauer ist erst seit wenigen Wochen CDU-Generalsekretärin, gehört aber schon zum engsten Kreis. 1981 trat sie wegen des damaligen Generalsekretärs Heiner Geißler in die Partei ein, jetzt nimmt sie ihn sich für ihre eigene Arbeit zum Vorbild. Geißler hat sich gern als geschäftsführender Parteichef bezeichnet - 1989 versuchte er sogar mit ein paar Getreuen den Parteivorsitzenden Helmut Kohl zu stürzen. Kramp-Karrenbauer will die in vielen Regierungsjahren erschlaffte CDU wiederbeleben - etwa mit einer Programmdebatte. Und sie will die Parteizentrale unabhängiger vom Kanzleramt führen als ihre Vorgänger. Beides wird die Klagen in der CDU, nur noch Kanzlerinnen-Wahlverein zu sein, kleiner werden lassen - was Merkel hilft. Die Kanzlerin muss dabei keine Angst haben, dass Kramp-Karrenbauer ihre Stärke wie dereinst Geißler gegen die Spitze einsetzen könnte. Denn Merkel und Kramp-Karrenbauer schätzen und vertrauen einander. Und wenn irgendwann Kramp-Karrenbauer Merkels Nachfolgerin werden würde, hätte die Kanzlerin nichts dagegen. Die Saarländerin würde Merkels politisches Erbe hoch halten.

Enge Vertraute

Fast genauso wichtig ist Peter Altmaier. Der neue Wirtschaftsminister hat Merkel mehrmals in brenzligen Situationen geholfen. Nach dem Rauswurf von Umweltminister Norbert Röttgen sollte er die stockende Energiewende wieder voranbringen. Als Koordinator für die Flüchtlingspolitik griff er dem damaligen Innenminister Thomas de Maizière unter die Arme. Und im letzten Wahlkampf übernahm Altmaier von Peter Tauber die Regie über das CDU-Programm und den Wahlkampf. Außerdem war er wichtigster und eloquentester Erklärer der Merkel-Politik in Talkshows.

Zu den engen Vertrauten gehört auch Volker Kauder. Der Unionsfraktionschef ist sogar einen Tag länger im Amt als die Kanzlerin. Für Merkel ist er eine kaum zu unterschätzende Stütze. Als Fraktionschef hat er eine eigene Machtbasis und unterliegt nicht der Kabinettsdisziplin, er könnte Merkel das Leben schwer machen. Kauder sieht es aber als Aufgabe eines Fraktionsvorsitzenden an, es der eigenen Regierungschefin leicht zu machen. Merkel hat auf eine Wiederberufung ihrer langjährigen Weggefährten Thomas de Maizière und Hermann Gröhe ins Kabinett verzichtet, auch in der Fraktion haben sich manche einen Neuanfang gewünscht. Aber Merkel ging auf Nummer sicher. Trotz des Grummelns vieler Abgeordneter schlug sie Kauder zur Wiederwahl vor. Der bekam zwar ein vergleichsweise schlechtes Ergebnis, sorgt aber weiterhin dafür, dass sich die Kanzlerin um die Gefolgschaft ihrer Fraktion wenig Sorgen machen muss. In der Flüchtlingspolitik stand Kauder Merkel aus tiefer persönlicher Überzeugung zur Seite. ER setzt sich seit vielen Jahren für verfolgte Christen in der ganzen Welt ein.

Der Dritte in diesem Kreis ist Steffen Seibert. Der Regierungssprecher ist seit 2010 an Bord und wohl derjenige, der sich neben Baumann am stärksten dem Leben der Kanzlerin verschrieben hat. Für ihn gibt es keine Pause, er muss eigentlich immer erreichbar sein. Der Staatssekretär und Chef des Bundespresseamtes hat dabei vor allem eine Aufgabe: Er ist das Sprachrohr der Regierungschefin. Das bedeutet auch: Überall dabei sein, das meiste miterleben, aus direkter Anschauung reaktionsfähig bleiben. Sein beratender Einfluss reicht aber an den von Baumann und Christiansen nicht heran.

Stützen im Kabinett

Ursula von der Leyen ist die einzige, die seit Merkels erstem Regierungstag im Kabinett sitzt. Sie steht wie keine andere für die gesellschaftspolitische Modernisierung der CDU. Allerdings hat sie es als Verteidigungsministerin nicht geschafft, die Stufe zur natürlichen Nachfolgerin Merkels zu erklimmen. Durch die Schrammen, die auch sie sich in diesem Amt zuletzt holte, hat sie an politischer Stärke eingebüßt. In der CDU war sie noch nie die Beliebteste. Trotzdem ist sie als loyale Kraft in harten Auseinandersetzungen oder Wahlkämpfen für Merkel weiter unverzichtbar.

Agrarministerin Julia Klöckner ist dagegen der Liebling der CDU-Parteitage. Sie heimst bei der Wahl der Merkel-Stellvertreter immer das beste Ergebnis ein. Klöckner hat es auch geschafft, die notorisch zerstrittene Rheinland-Pfalz-CDU wieder zu einen. Bis zum Flüchtlingsherbst 2015 lag diese fast zehn Prozentpunkte vor der SPD. Klöckner galt vielen bereits als die nächste Regierungschefin, ein Wahlsieg hätte sie in den Kreis der aussichtsreichen Merkel-Nachfolger katapultiert. Doch es folgte ein gewaltiger Umschwung, bei der Wahl im März 2016 lag die CDU auf einmal klar hinter der SPD. Klöckner hat dazu mit einer leichten Absetzbewegung von Merkel zwar einen Teil selbst beigetragen, entscheidend für den Absturz war aber die Flüchtlingspolitik in Berlin. Klöckner hat die Schuld für ihre Niederlage nie Richtung Kanzleramt geschoben, was ihr Merkel positiv anrechnet. Im neuen Kabinett kann sich die Kanzlerin auf Klöckner verlassen, die 45-Jährige steht - anders als Jens Spahn - für Verjüngung ohne Risiko.

Neu in Merkels engster Truppe ist Helge Braun. Die Kanzlerin hat ihn in den vergangenen Jahren als loyalen und effizienten Staatsminister schätzen gelernt. Er hat sich vor allem um die Bund-Länder-Koordinierung gekümmert. In einer Zeit, in der in den 16 Bundesländern 13 verschiedene Koalitionen regieren, ist das eine diffizile Aufgabe. Jetzt soll Braun als Kanzleramtschef alle Probleme abräumen, bevor sie zu einem Problem für Merkel werden können.

Das Trio, das nicht mehr dabei ist

Zur Geschichte des engsten Kreises gehören freilich nicht nur jene, die aktuell besonders wichtig sind. Erwähnt werden müssen auch drei Politiker, die für Merkels Aufstieg enorme Bedeutung hatten, aber heute nicht mehr mit dabei sind.

Dazu gehört zuallererst Peter Hintze, der im Winter 2016 verstorbene Ex-Generalsekretär unter Helmut Kohl. Hintze war nach der Wende über viele Jahre Merkels engster Begleiter in den Reihen der Christdemokraten. Er hatte in den neunziger Jahren nicht nur einen Kreis damals junger und liberaler CDU-Politiker um sich versammelt, darunter der junge Ronald Pofalla, Hermann Gröhe, später auch Peter Altmaier und Norbert Röttgen.

Hintze war es zudem, der die junge Ministerin Merkel über die Freundeskreise und Fallstricke in der CDU aufklärte. Er kämpfte für jene Liberalisierung und Öffnung der CDU, die Merkel beim Aufstieg entscheidend helfen sollte. Auch wenn Hintze in Merkels Regierungszeit nie zu einem wichtigen Minister aufstieg, blieb er als Interpret und Analytiker der politischen Lage einer der wichtigsten Gesprächspartner. Hintze starb ausgerechnet in den Tagen, in denen Merkel ihre Entscheidung bekannt gab, noch einmal anzutreten.

Eng mit Hintze verbunden war Ronald Pofalla, den Hintze über Jahrzehnte mal als Protegé, mal als Freund unterstützte. Pofalla diente Merkel als Freund, als Justiziar in der Fraktion, als Generalsekretär und schließlich als Kanzleramtsminister - bis er 2013 ausschied und ein Jahr später in den Vorstand der Deutschen Bahn wechselte. Hintzes Verlust riss ein gewaltiges Loch in Merkels engstes Mannschaftsgefüge; Pofallas Abgang war kaum minder gravierend.

Und dann ist da auch noch Willi Hausmann. Ohne den damaligen CDU-Bundesgeschäftsführer hätte Merkel den Spendenskandal 1999 und die Zeit danach kaum überstanden. Hausmann, im Wendejahr 1990 eng an der Seite des damaligen Innenministers Wolfgang Schäuble, stammte einst aus dem Innenministerium und entwickelte sich zu einem besonders loyalen, im Sturm stets Ruhe ausstrahlenden Freund. Er verschrieb die letzten Jahre seiner Karriere ihrem Aufstieg und war mit dabei, als Merkel samt engsten Begleitern ihre erste Wahl zur Kanzlerin feierte.

In den Jahren danach übernahm der heute 75-Jährige hier und da noch Aufgaben bei Landtagswahlkämpfen, zog sich dann aber Schritt für Schritt zurück. Hintze, Pofalla und Hausmann haben Lücken gelassen, die bis heute nicht komplett geschlossen werden konnten.

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