Angela Merkel bei der Frauen Union:Berauscht vom Bonus der Macht

Merkel bei Frauen Union

Merkel bei der Frauenunion: Frotzelnd gegen die Affären.

(Foto: dpa)

Kanzlerin Merkel hat am Ende der Legislaturperiode in Sachen Frauenpolitik kaum etwas vorzuweisen. Trotzdem wird sie von 1500 Frauen in München bejubelt. Im Zwiegespräch verdeutlichen Merkel und CSU-Chef Seehofer frotzelnd und etwas arrogant, warum all die Affären der Union im Moment so wenig anhaben können.

Von Sebastian Gierke, München

Horst Seehofer drückt seine Brust raus - macht mit den Armen eine Bewegung, wie um sich von etwas zu befreien. "So muss man das bei unserer Kanzlerin schon immer wieder machen." Der bayerische Ministerpräsident lacht. "Sonst wird man..." Seine Armbewegung soll bedeuten: ganz schnell untergebuttert.

Seehofer steht vor der BMW-Welt in München, umringt von Dutzenden Frauen. Angela Merkel ist schon lange weg, doch der Ministerpräsident drückt immer noch jede Schulter, die er zu packen bekommt. Es wirkt fast so, als würde er sich nicht fotografieren lassen, sondern sich auf jedes Foto, das hier geschossen wird, einfach mit drauf drängeln. Geduldig und charmant erfüllt er Autogrammwünsche, beantwortet Fragen, bedankt sich bei Polizisten, scherzt, gluckst, hechelt. Horst Seehofer mag solche Situationen, nah bei den Menschen, er beherrscht sie wie kaum ein anderer Politiker dieser Republik.

An diesem Nachmittag hatte er aber auch besonders leichtes Spiel, denn es waren ausschließlich Parteifreundinnen und einige Parteifreunde im Saal. Die Frauenunion hatte unter dem Motto "Frauen für Merkel" nach München geladen. Nach eigenen Angaben die "größte frauenpolitische Veranstaltung" des Jahres. Des Wahljahres. Tatsächlich sind an diesem wunderbaren Sommertag über 1400 Frauen aus ganz Deutschland - im meist etwas vorgerücktem Alter - in den Norden der bayerischen Landeshauptstadt gepilgert.

Merkel gleicht sich aufs Wort

Eine tolle Veranstaltung sei das gewesen, sagt Seehofer. Er habe das gar nicht so erwartet. Bis ganz hinten seien die Frauen gestanden. "Selten habe ich eine solche Sympathie erlebt." Seehofer ist tatsächlich beeindruckt - er wirkt fast berauscht.

Ein bisschen unhöflich wirkte es, als Seehofer einfach reinplatzte. Mitten in die Rede der Kanzlerin. Er war zu spät dran, stürmte aber gleich hoch auf die Bühne, verbeugte sich tief vor Merkel. Seehofer war der einzige Mann, der an diesem Nachmittag die Bühne erklomm.

Die Hauptdarstellerin war aber Angela Merkel, die eine ihrer etwas ermüdenden Standardreden hielt. Zum Teil bis aufs Wort glich das dem, was Merkel vor gut drei Wochen im Truderinger Bierzelt gesagt hatte. Ein bisschen was zu allem: Europa, Finanzmärkte, Wirtschaftlage, Arbeitslosigkeit. Dem Anlass Tribut zollte sie nur, indem sie die Themen Bildung und Familienpolitik etwas ausführlicher streifte.

Die Veranstaltung illustriert ein beeindruckendes Narrativ

Trotzdem wurde die Kanzlerin natürlich, wie es sich für eine solche Jubelveranstaltung gehört, bejubelt. Das überrascht auch dann nicht, wenn man sich vor Augen führt , dass die Koalition auf dem Gebiet der Frauenpolitik kaum etwas vorzuweisen hat. Das kann selbst Merkel nicht vertuschen. "Viel sei noch zu tun", sagt sie, angesichts von nur acht Prozent Frauen unter den Vorständen von Dax-Unternehmen. Auch Professorinnen gebe es viel zu wenige.

Die Quote, die versucht die Kanzlerin hier als Erfolg zu verkaufen. Aber die hat doch Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen unter Aufbietung all ihrer Macht und großem Risiko quasi aus Merkel herausgepresst. Sie steht auch erst mal nur im Wahlprogramm. Genau wie die Mütterrente, ein äußerst wichtiges Thema für die Frauen Union, wie die Bundesvorsitzende Maria Böhmer immer wieder betont. Während der Legislaturperiode ist die Mütterrente noch gescheitert, auch am Widerstand der Kanzlerin.

Durchgedrückt hat die Union dagegen das unsägliche Betreuungsgeld. Es ist kein Zufall, dass der Begriff den ganzen Nachmittag nicht fällt auf der Bühne. Trotzdem war die Stimmung, da hatte Horst Seehofer ganz recht, von großer Sympathie geprägt. Soweit, so öde.

Es ist Wahlkampf

Außergewöhnlich gut illustriert hat Veranstaltung allerdings ein zentrales Narrativ dieses Wahlkampfs: Warum Merkel und Seehofer, warum sich die Unions-Parteien trotz Verwandten- und Euro-Hawk-Affäre, trotz Ideenmangel und Ideenklau, warum sie sich trotz all dieser gewaltigen Probleme bislang so unangefochten durch das Jahr wahlkämpfen.

Das liegt in der Hauptsache nicht an der Schwäche und den Fehlern der Opposition. Es mag auch sein, dass Peer Steinbrück ein Problem hat, Frauen von sich zu überzeugen. Mindestens genauso wichtig aber ist: der Bonus der Macht.

Wer in unsicheren Zeiten Selbstbewusstsein ausstrahlt, der vermittelt Sicherheit. Dieses Selbstbewusstsein wird deutlich, als nach Merkels Rede Seehofer auf die Bühne kommt, um mit der Kanzlerin ein wenig zu diskutieren. Es folgen ziemlich unterhaltsame Minuten. Seehofer guckt wie ein Pennäler und erzählt, wie nervös er sei, unter all den Frauen. "Bislang habe ich auf dieser Veranstaltung nur drei Männer gesehen, und die waren von der Sicherheit." Dann zählt er die Frauen auf, die Spitzenpositionen in der CSU innehaben und kommt zu dem Schluss, dass er mittlerweile der einzige Mann sei, der noch etwas zu sagen habe. "Und dann haben wir ja noch die Bundeskanzlerin, die gehört uns auch zur Hälfte."

Mia-san-Mia-Gefühl der Union

Die beiden frotzeln sich mit sichtlichem Vergnügen durch die Diskussion. Dass er der Kanzlerin eine SMS geschrieben habe heute, mit der Bitte, die CSU doch nicht freundlich zu übernehmen, verrät Seehofer. "Es ging nur um die Zeit, wo du nicht da bist", kontert die Kanzlerin. Und schiebt nach: "Wenn wir zwei uns mal gut vertragen würden, wäre schon viel gewonnen."

Eine große Lockerheit und Selbstverständlichkeit strahlen die beiden aus. Die Selbstverständlichkeit der Macht, ein Mia-san-Mia-Gefühl, ein von-Oben-herab, das es so schwer macht, einen Angriffspunkt zu finden. Denn selbst wenn die Angriffsfläche groß ist, wirken die Attacken von unten dann oft verdruckst. So wie die Schelte des bayerischen SPD-Spitzenkandidaten Christian Ude, der Seehofer in der vergangenen Woche "Hochwassertourismus" vorgeworfen hatte.

Die Wissenschaftlerin Isabell M. Welpe hatte vor der Ankunft Merkels während einer Podiumsdiskussion mit beruflich erfolgreichen Frauen eine ihrer Studien vorgestellt. Ein Ergebnis der Studie: Wenn Frauen Stolz auf die eigene Arbeit zum Ausdruck bringen - und ein wenig arrogant sind, dann hilft ihnen das in der Karriere. In der Politik lässt sich das das Phänomen auch beobachten. Mit vorwitziger Selbstsicherheit lässt sich Kompetenz vortäuschen.

Kurz bevor der Ministerpräsident dann endlich in sein Auto steigt, stürmt noch eine Gruppe junger Skater auf ihn zu. "Fight the Power" steht auf einem der Boards. Seehofer drückt die Brust raus - und stellt sich in die Mitte der Jugendlichen. Voller Stolz lassen sie sich mit ihm ablichten. Und bestürmen anschließend die Fotografin, um ja das Foto zugeschickt zu bekommen.

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