Andrew Breitbart mit 43 Jahren gestorben:Tod einer konservativen Reizfigur

Wutmaschine wurde er genannt: Andrew Breitbart war einer der zehn einflussreichsten Journalisten Amerikas - und wohl der umstrittenste. Der konservative Publizist trieb die etablierten Medien vor sich her. Mit 43 Jahren ist er jetzt überraschend gestorben.

Sebastian Gierke

Andrew Breitbart mit 43 Jahren gestorben: Andrew Breitbart ist tot.

Andrew Breitbart ist tot.

(Foto: AFP)

In seinem letzten Eintrag auf Twitter erklärte Andrew Breitbart, warum er jemanden "putz" genannt hat. Mit Idiot könnte dieses amerikanische Schimpfwort übersetzt werden. Das wäre dann die harmloseste Variante.

Es ist ein typischer Tweet Breitbarts. Die Wutmaschine, so wurde der konservative Publizist nicht nur von der SZ genannt. In der harmlosen Variante könnte man sagen: Breibart stritt für seine Überzeugungen. Klar und deutlich. Die weniger harmlose müsste lauten: Breitbart war radikal, Breitbart war skrupellos. Mit nur 43 Jahren ist der streitbare Medienmacher jetzt völlig überraschend in Los Angeles gestorben. Über die Todesumstände ist bislang kaum etwas bekannt.

"Andrew passed away unexpectedly from natural causes shortly after midnight this morning in Los Angeles." Das steht auf einer der Webseiten Breitbarts, auf Breitbart.com. "We have lost a husband, a father, a son, a brother, a dear friend, a patriot and a happy warrior."

Auf Twitter haben viele seiner Fans und Bewunderer die Nachricht mit Entsetzen aufgenommen. Ein regelrechter Sturm der Anteilnahme brach los. "Absolutely stunned to hear about Andrew Breitbart," schrieb zum Beispiel Brad Dayspring, Sprecher von Eric Cantor, dem konservativen Mehrheitsführer im US-Repräsentantenhaus. "Thoughts and prayers go out to his friends, family, and colleagues."

Breitbart ist in wenigen Jahren zu einer der einflussreichsten Stimmen des konservativen Lagers in den USA aufgestiegen. Und zu einem der zehn einflussreichsten Journalisten des Landes. Der Kalifornier konnte sich gut verkaufen - und seine Inhalte. Das "Big"-Label für seine vielen Internetseiten ist zu einer politischen Marke geworden. Big Government oder Big Journalism, so heißen die Seiten, von denen aus er auf seine politischen Gegner feuerte.

Breitbart feuerte mit Informationen, aber auch mit Gerüchten - wenn sie in sein Weltbild passten. Als Kämpfer für den kleinen Mann, so hat er sich selbst inszeniert: Breitbart war gegen Big Government, Big Hollywood, Big Journalism. Breitbart war gegen die da oben. So stand es 2010 in einem SZ-Porträt. Doch der Kalifornier war auch ein Meister der Zuspitzung, der Wahrheitsbeugung, der Manipulation. Kurz: Breitbart war die umstrittenste Figur des US-Journalismus. Trotz Glenn Beck. Trotz Ann Coulter.

Einen gewaltigen Bekanntheitsschub erlebte Breitbart mit "Weinergate", als er im vergangenen Jahr die Aufarbeitung des Skandals um den demokratischen Kongressabgeordneten Anthony Weiner maßgeblich vorantrieb. Breitbart war der Erste, der die Fotos veröffentlichte, die den verheirateten Weiner nur in Unterhosen zeigten und die dieser über das Netz einer Frau geschickt hatte. Zunächst hatte Weiner behauptet, sein Twitter-Account sei "gehackt" worden, wofür seine Anhänger kurzerhand den erklärten Linken-Hasser Breitbart verantwortlich machten. Breitbart erschien wiederum unvermittelt auf Weiners Pressekonferenz und forderte eine Entschuldigung des US-Politikers - die der dann auch tatsächlich aussprach. Weiner trat aufgrund des Skandals zurück.

Im Jahr 2010 hat Tobias Moorstedt in einem SZ-Porträt einen Scoop Breitbarts beschrieben, der die Arbeitsweise des Journalisten verdeutlicht - und der Breitbart viel Kritik einbrachte. Hier ein Ausschnitt aus dem Text: "Er (Breitbart) veröffentlichte ein Video, das eine afroamerikanische Spitzenbeamtin scheinbar dabei zeigte, wie sie über ihre Vorurteile gegen weiße Amerikaner spricht. Das Video gelangte in nur wenigen Minuten von Breitbarts Webseite in die Heavy Rotation der Nachrichtensender. Auch seriöse Medien wie die New York Times oder CBC berichteten. Und die Beamtin musste sich live im Fernsehen fragen lassen: "Sind Sie eine Rassistin?" Noch bevor jemand den Rücktritt der Frau fordern konnte, meldet das Weiße Haus ihre Entlassung. Erst Tage später fand eine Lokalzeitung das komplette Videoband der Rede, und stellte fest, dass der zuvor bekannte Schnipsel irreführend war, und die Beamtin eigentlich eine rührende Ansprache gehalten hatte - gegen Rassismus. Aber da war der Schaden längst angerichtet, und der politisch-mediale Komplex hatte sich mal wieder blamiert. Punktsieg Breitbart." (Der gesamte Text hier.)

Doch an Breitbart wird man sich auch als Medienrevolutionär erinnern. Tatsächlich war er einer der Ersten, der das Potential von Blogs im Kampf um die Aufmerksamkeit der Amerikaner erkannte, der die Schnelligkeit des Internets auszunutzen wusste. Von der Linkslastigkeit der etablierten Medien war Breitbart überzeugt. Dem wollte er - mit seinen Freunden von der Tea Party - etwas entgegensetzen. Das ist ihm eindrucksvoll gelungen.

Mehr als zehn Millionen Leser steuern seine Websites an, selbst Fox News hat nicht so viele. Andrew Breitbart trieb oft die etablierten Medien vor sich her. Und so wurde er in wenigen Jahren zu einer Larger-than-Life-Figur, wie es sie nur selten gibt - und wohl auch nur in Amerika geben kann.

Auf Breitbart.com kann man unter der Überschrift "In Memoriam: Andrew Breitbart (1969-2012)" nachlesen, was Breitbart erst vor kurzer Zeit als neues Fazit zu einem seiner Bücher geschrieben hat: "I love my job. I love fighting for what I believe in. I love having fun while doing it. I love reporting stories that the Complex refuses to report. I love fighting back, I love finding allies, and - famously - I enjoy making enemies."

Mehr zu Andrew Breitbart:

Das "In Memoriam" auf Breitbart.com.

Die New York Times schreibt: Mr. Breitbart earned a reputation for being playful but also highly polarizing.

Elizabeth Flock and David Beard auf der Website der Washington Post: Andrew Breitbart dies: Big Journalism founder was 43.

Ein großes Porträt, das im Jahr 2010 im Magazin The New Yorker erschien: "Rage Machine".

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