Andrea Nahles stellt ihr Buch vor:Frau, gläubig, genervt

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Was Nahles wichtig ist: Die mächtigste Frau der SPD hat ein Buch über sich geschrieben. Weil sie genervt ist - von falschen Zuschreibungen und den 68ern.

Julia Amalia Heyer, Berlin

Sie lacht dann kurz dieses Nahles-Lachen, tief, laut, abgehackt und sagt: "Okay." Meint: Jetzt ist es gut mit den Fotos, es reicht. Andrea Nahles, immer noch relativ neue Generalsekretärin der SPD, hat ein Buch geschrieben.

"Frau, gläubig, links": Nahles bei der Vorstellung ihres Buches in Berlin (Foto: Foto: ddp)

Über sich, so jedenfalls steht es auf dem Titel. "Frau, gläubig, links. Was mir wichtig ist", lautet der. Jetzt steht sie in schwarzen Nadelstreifen auf karminrotem Teppichboden im Haus der Bundespressekonferenz und hält strahlend ihr Werk in die Kameras.

Die mittlerweile mächtigste Frau der Sozialdemokraten hat über ihre "Motive" geschrieben. Weil sie genervt war "von den Zuschreibungen anderer, diesen ewig falschen Assoziationsketten", die ihre Person ausgelöst habe bei Journalisten und anderen Politikern.

Deshalb hat sie jetzt selbst verfasst, was sie antreibt. Nahles schreibt über ihre Prinzipien und - sie wäre sonst nicht, was sie ist - über programmatische Dinge. Was bedeutet diese größte aller Miseren, diese verheerenden 23 Prozent, die schmachvoll verlorene Bundestagswahl für ihre Partei? "Septembersturm" heißt das bei Nahles dann fast lyrisch.

In der SPD hat die 39-Jährige Spuren hinterlassen, auch und gerade bei den Großen von einst: Sie war das "Gottesgeschenk" Oskar Lafontaines. Sie war Schröders vehementer Gegenwind, nannte sie ihn doch so gar nicht ängstlich, als er bereits Kanzlerkandidat war, die "Abrissbirne sozialdemokratischer Programmatik". Und schließlich Münteferings "Königsmörderin". Sie hatte es gewagt, sich dessen Wunschkandidaten für den Posten des Generalsekretärs in den Weg zu stellen.

Dass sie sich jetzt berufen fühlt, über den Generationenwechsel in ihrer Partei zu schreiben - und über sich als Prototypen, oder besser Idealtypus desselben, verwundert nicht. Man wisse so wenig über diese Generation, klagt sie. Über andere dagegen viel zu viel: Von den 68ern zum Beispiel.

Die "Heldengeschichten" von deren Eroberung der Institutionen hat sie dicke: "Ich habe genug gehört", sagt Nahles und lacht wieder kurz und abgehackt. Die Generation wird in ihrem Buch entsprechend abgehandelt.

Als Autorin (keine Ghostwriterin, alles selbst geschrieben) beschreibt sie nun, wie sie, die katholische Arbeitertochter vom Lande, zur SPD gefunden hat, dieser großen Partei der umfassenden Gerechtigkeit.

Ihre Kapitel sind überschrieben "Von der Würde der Arbeit", oder "Freiheit und Verantwortung" und nicht zuletzt auch "Für eine Kultur des Zweifels". Das allerdings scheint nun Nahles' Kalkül, ein freundliches Entgegenkommen an den Leser, zu sein, denn Zweifel sind ihre Sache eigentlich nicht.

"Mach es wie Jesus, werde Mensch" nimmt sie als Leitmotiv und entdeckt, dank ihres Glaubens, das göttliche Prinzip im Alltag. Überhaupt der Glaube: die Quelle Nahlescher Kraft und auch ihres politischen Engagements.

Gemeine innerparteiliche Grabenkämpfe hin oder her, als überzeugte Katholikin werde man "nicht so schnell müde". Unschöne Sachen wie Kulturpessimismus hält Andrea Nahles weit von sich weg, das sei "konservative Denke". Für sie steht fest: Der Mensch ist eben nicht des Menschen Wolf. Nach dem Motto: Es kann nicht sein, was nicht sein darf.

Mitunter gefällt sich die Politikerin auch als politisch inkorrekt. Oder jedenfalls unter dem, was sie darunter versteht. Fragt man nach dem Freiheitskapitel in ihrem Buch, kichert sie und spricht von der Überregulierung der Gesellschaft: "Wir sind nicht so frei, wie wir vorgeben zu sein." Der gegenwärtige Bohei um Gesundheit und Fitness sei ihr klar zu viel.

Und die Frau Andrea Nahles? Wo bleibt die, immerhin doch auch titelgebend, in ihrem Buch?

Tja, intime Einsichten, sagt Nahles da, die dürfe man von ihrem Werk nicht erwarten. Das sei doch dann eher etwas für "Fernsehsternchen".

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