Analyse zur Wahl in NRW:Die FDP feiert ihre Wiedergeburt

Unter Christian Lindner setzen die Liberalen ihre Erfolgsserie fort. Aber sie scheinen unsicher, ob sie in die Regierung wollen.

Von Gianna Niewel, Düsseldorf

Zollhafen, Düsseldorf, neue Hochrechnungen auf dem Bildschirm. SPD, CDU, Grüne. Dann FDP: 12,6 Prozent. Jubel, Klatschen, Umarmungen. Die Liberale waren gekommen, um ihre Partei und deren Spitzenkandidaten Christian Lindner zu feiern. Und das tun sie auch.

Lindner dürften die Zahlen das Gefühl von politischer Gestaltungsmacht geben. "Das ist das beste Ergebnis für die FDP bisher", sagt er. "Unser Ziel war ein Politikwechsel, und Rot-Grün ist mit dem heutigen Tag Geschichte." Und als die Linke am Sonntagabend unter die fünf Prozent rutscht, klatschen sie im Zollhof 11 erst recht.

Damit würde es, rein rechnerisch, sogar für eine Zukunft als Juniorpartner der CDU reichen, Schwarz-Gelb. Die FDP jedenfalls stehe für Gespräche zur Verfügung, sagt Lindner. Einerseits. Andererseits: "Opposition wäre eine staatspolitisch wichtige Aufgabe." Bliebe die Linke wirklich draußen, könnte er es sich aussuchen.

Die NRW-Wahl ist ein Stimmungstest für den Bund

Seitdem die FDP 2013 zum ersten Mal in ihrer Geschichte aus dem Bundestag flog, gilt der heute 38 Jahre alte Lindner als neue Hoffnung der Partei, in Nordrhein-Westfalen und als Vorsitzender im Bund. Natürlich haben sie in Minden und Düren, in Bocholt und Paderborn am Sonntag über Landesthemen abgestimmt. Natürlich aber werden die Ergebnisse auch in Berlin diskutiert.

Nordrhein-Westfalen ist das bevölkerungsreichste Bundesland, die Wahl ist ein wichtiger Stimmungstest, der letzte vor der Bundestagswahl im Herbst. Das weiß Lindner, das wissen die Liberalen, und deshalb brauchten sie dieses Ergebnis, das beste der NRW-FDP seit Jahrzehnten, so dass sie am Ende des Abends von einer Wiedergeburt der Partei sprechen können.

"Die Menschen wollen ein Comeback der Freien Demokraten auch in Berlin", sagt Lindner. Vielleicht mit ihm? Die FDP hatte zuletzt in NRW geworben mit "Zweitstimme ist Lindner-Stimme", wie auch ihre Parteikollegen in Schleswig-Holstein um die Zweitstimme für Wolfgang Kubicki geworben hatten.

FDP warb damit, NRW zum "Gründerland Nummer eins" zu machen

Dabei wollen beide im Herbst in den Bundestag wechseln. In Düsseldorf wäre die Zweitstimme für die FDP dann genau genommen eine Stimme für Joachim Stamp, den Fraktionsvize. Aber das sind Luxusprobleme für eine Partei, der Luxusprobleme lange fremd waren.

Aus der Hauptstadt jedenfalls kam schon mal Unterstützung. Von einem "starken Wahlergebnis" sprach der Berliner FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja. "Die Bürger haben für einen Modernisierungsplan gestimmt, weil sie wieder in einem NRW ohne Dauer-Staus, Lehrer-Mangel und Investitions-Lethargie leben wollen."

Tatsächlich hatte die FDP damit geworben, NRW zum "Gründerland Nummer eins" zu machen. Sie forderte eine "Bildungsrevolution", mehr Geld für Schulen, Hochschulen, Forschung. Das ging unter im Rauschen des Wahlkampfes.

Die FDP setzt eine Serie fort

Aber Christian Lindner ist geschickt darin, die Tonlagen zu wechseln, er kann laut werden, schrill auch, vor wenigen Wochen forderte er, der türkischstämmige Nationalspieler Mesut Özil solle die deutsche Hymne mitsingen. Überhaupt hat Lindner bei vielen Bundesbürgern ein Identitätsproblem festgestellt, "das dann zu Integrationsproblemen führt." Damit wurde er gehört.

Für die Liberalen ist das Ergebnis auch deshalb ein Erfolg, weil sie damit eine Serie fortsetzen. Ende März hatte es die FDP im Saarland 3,3 Prozent geschafft, am vergangenen Wochenende hat Kubicki in Schleswig-Holstein dann 11,5 Prozent geholt. Und Lindner in NRW sogar noch ein bisschen mehr.

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