Analyse zur Frankreich-Wahl:Für Le Pen beginnt nun der wahre Kampf

Presidential Candidate Marine Le Pen Holds Her Electoral Evening At Chalet Du Lac In Paris

Le Pen am Wahlabend: "Historisches Ergebnis."

(Foto: Getty Images)

Aufatmen nach der Wahl Macrons? Von wegen. 10,6 Millionen Franzosen haben für eine Rechtsextreme gestimmt - und Le Pen plant bereits die nächsten Schritte.

Analyse von Leila Al-Serori

Von Verbitterung keine Spur, als Marine Le Pen kurz nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses auf die Bühne tritt. Sie strahlt und lässt sich von ihren Anhängern in Paris feiern. Diese jubeln zwar etwas verhaltener als noch im April, aber immer noch lautstark für ihre "Marine". Le Pen beglückwünscht ihren siegreichen Kontrahenten Emmanuel Macron, wünscht ihm alles Gute für seine Amtszeit. Aber schnell zeigt sich, was ihre eigentliche Agenda in dieser Ansprache ist.

Das Ergebnis für sie sei "historisch", nun wolle sie eine "neue politische Kraft" gründen, eine "Allianz der Patrioten", erklärt die Front-National-Chefin in dem kleinen, überfüllten Saal. Es ist eine Ansage, die darauf schließen lässt, dass sich Le Pen seit Tagen auf das Ergebnis vorbereitet hat - und alles tut, um aus ihrer Niederlage Kapital zu schlagen. Tatsächlich hat Macron mit großem Vorsprung gewonnen, aber immerhin haben 33,9 Prozent für die Rechtsextreme gestimmt.

Marine Le Pen hat einen Wahlkampf von unglaublicher Brutalität geführt, sich als Kandidatin des "vergessenen Frankreichs" inszeniert. Sie hat ihre Radikalität nicht versteckt und trotzdem 10,6 Millionen Stimmen erhalten. Das ist das mit Abstand beste Ergebnis in der Geschichte des Front National (FN) - und weit mehr als das von Experten immer mit 25 Prozent angegebene Höchstwählerpotenzial der Partei. Ihren bisher höchsten Wahlerfolg bei den Regionalwahlen 2015 übertraf sie mit fast vier Millionen Stimmen. Das Ergebnis ihres Vaters Jean-Marie Le Pen von 2002 verdoppelte sie.

Der Ausgang dieser Präsidentschaftswahlen kann Le Pen also durchaus triumphieren lassen - auch wenn er kleiner ausfällt, als sie es sich wohl erhofft hatte. Dass sie nicht gewonnen hat, darf ihre Gegner erleichtern, allerdings nur kurz. Denn der Wahlkampf hat das Land noch gespaltener zurückgelassen, die Gefahr des Rechtspopulismus ist nicht gebannt.

Le Pen hetzt die Menschen gegeneinander auf, instrumentalisiert Konflikte und Ängste in der französischen Gesellschaft. Am Sonntagabend erklärt sie den Kampf zwischen Globalisierungsfreunden und den Patrioten für gerade erst eröffnet. Die Wahlniederlage bei den Präsidentschaftswahlen scheint nur eine weitere Etappe. Am 11. Juni wird schließlich das Parlament gewählt. Der Front National wurde durch das französische Mehrheitswahlrecht bisher benachteiligt, nur zwei Abgeordnete stellt die Partei derzeit - eine Zahl, die deutlich aufgestockt werden soll.

Dass sie nun den Namen des Front National hin zu einer "Allianz der Patrioten" ändern will, ist eine Fortführung ihrer Strategie, die Partei von ihrem rechtsextremen Image zu befreien und zu einer nationalistischen Volkspartei des kleinen Mannes auszubauen. Das gemäßigte Antlitz ist vor allem Kalkül, um mehr Wähler aus der Mitte zu erreichen. Schon im Wahlkampf stand sie als Person im Vordergrund, Marine wollte Präsidentin werden, nicht der FN, so sollte es aussehen.

Le Pens radikale Gesinnung scheint immer wieder durch

Dass Le Pen aber weiterhin die radikale Kandidatin einer rechtsextremen Gruppierung ist, zeigte sie nicht zuletzt beim TV-Duell, wo sie gehässig und zerstörerisch auftrat. Auch im Wahlkampf ließ sie ihre Gesinnung durchscheinen, als sie die Mitverantwortung Frankreichs für die Verschleppung Tausender Juden während des Zweiten Weltkriegs in Abrede stellte. Betende Muslime auf Frankreichs Straßen verglich sie 2010 mit der Nazi-Besatzung und musste sich dafür vor Gericht verantworten. Immer wieder machen Funktionäre mit zweideutigen Aussagen Schlagzeilen. Zur Wahlparty in Paris verwehrte die Partei zudem kritischen Journalisten den Einlass.

Das alles ist weithin bekannt, und trotzdem legt Marine Le Pen in jeder Wahl zu. Denn viele Franzosen haben mit der etablierten Politik abgeschlossen, fühlen sich abgehängt und benachteiligt. Le Pen hat diesen Wandel in der Gesellschaft erkannt, die Brüche zwischen oben und unten, Stadt und Land, Modernität und Tradition - und nutzt ihn für ihren Machtausbau aus. Es ist ein Erfolgskurs, der am Sonntag nicht geendet hat, im Gegenteil. Emmanuel Macron wird hart kämpfen müssen, um das Land wieder zu einen und der extremen Rechten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Denn Marine Le Pen ist nun seine stärkste Gegnerin. Sie wird alles tun, um das zu bleiben.

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