Analyse:Wo der Hammer hängt

... und wie und wann ihn Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer großen Koalition benutzen kann.

Heribert Prantl

Koalitionsverhandlungen werden von den Parteien geführt - und die können im Koalitionsvertrag vereinbaren, was sie wollen: Sie können allerdings nicht die Verfassung beiseite schieben. In der Verfassung steht, dass der Bundeskanzler "die Richtlinien der Politik" bestimmt. Eine davon abweichende Vereinbarung wäre verfassungswidrig, auch wenn Edmund Stoiber und Franz Müntefering das womöglich gern so hätten.

Dass die Richtlinienkompetenz des Kanzlers nicht für die Kanzlerin gelten soll - dieser Plan lässt sich auch anders erreichen: Ein Koalitionsvertrag kann schon vorab so viele Richtlinien festlegen, dass die Kanzlerin wie zu einem (Koalitions-)Paket verschnürt dasteht und sich kaum noch rühren kann.

Dann gilt zwar ihre Entscheidungskompetenz noch immer dem Grundsatz nach, aber nicht mehr in der Praxis. Angela Merkel kann dann zwar jeden Tag sagen, dass sie weiß, wo der Hammer hängt - aber sie kommt kaum noch dran, weil dieser Hammer dort ist, wo der Koalitionsausschuss tagt und über die Koalitionsvereinbarungen wacht.

Im Herrenchiemseer Entwurf zum Grundgesetz wird zur Richtlinienkompetenz ausgeführt: "Die Bundesregierung soll nicht wie in der Bismarck-Verfassung durch eine absolut überwiegende Stellung des Bundeskanzlers bestimmt werden, aber auch weder auf dem reinen Kollegialprinzip der Schweizer Verfassung noch auf dem in verschiedenen deutschen Einzelstaaten vor 1918 üblichen Grundsatz der Selbständigkeit der Fachminister (Ressortprinzip) beruhen."

Richtlinienkompetenz ist Risikokompetenz

Ins Heutige gewendet: Die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin reicht so weit wie die Macht der Angela Merkel. Ihre Macht besteht, wenn sie einmal gewählt ist, erstens darin, Minister zu entlassen und zweitens die Vertrauensfrage zu stellen - oder damit zu drohen. Jeder der Beteiligten muss sich also überlegen: Ist die Sache so wichtig, dass dafür die Koalition riskiert wird?

Richtlinienkompetenz ist Risikokompetenz: Sie kann alsbald zur Koalitionsfrage führen. Kanzler Ludwig Erhard wollte einst im Rahmen eines Haushaltssicherungsgesetzes die Erhöhung der Sektsteuer durchsetzen - die FDP wollte nicht und zog ihre Minister ab. Erhards Versuch, den Hammer zu holen, war also das Ende seiner Koalition.

Stilfragen sind Machtfragen

Die Richtlinienkompetenz ist letztlich keine Sache des Rechts, sondern der politischen Geschicklichkeit; sie erfordert die behände Beherrschung der Machtmechanismen. Angela Merkel beginnt da erstaunlich fahrlässig. Ohne Not hat sie erklärt, dass die CSU ihre Minister selbst benenne. Sie macht so aus der großen Koalition ein groß-groß-kleines Dreier-Bündnis.

Ihr Mentor Helmut Kohl hatte bei der Ausrufung der Minister (ob von Seiten der CSU oder FDP) zumindest auf das Dekorum geachtet: Der Kanzler ist es, der, zumindest nach außen hin, auch hier das Sagen hat. Stilfragen sind Machtfragen: Wer sich jetzt den Stil diktieren lässt, könnte bald auch in der Sache wenig zu melden haben.

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