Amnesty-Bericht zu Menschenrechten in Ägypten:"In Tradition der Unterdrückung der Mubarak-Ära"

Folter und unfaire Prozesse: Menschenrechtler werfen den Militärs in Ägypten vor, die Tradition der Unterdrückung aus der Mubarak-Ära fortzusetzen. Doch die Aktivisten lassen sich nicht unterkriegen: Sie versammeln sich zum "Marsch der Millionen" auf dem Tahrir-Platz. Bereits am Morgen kommt es zu blutigen Auseinandersetzungen.

In Ägypten halten die Proteste gegen den herrschenden Militärrat an. In Kairo kam es vor dem angekündigten "Millionen-Marsch" der Gegner des Militärrats erneut zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei.

Nach Angaben von Medizinern wurden dabei am Dienstag mindestens 20 Menschen verletzt. Einige seien mit Gummigeschossen im Gesicht getroffen worden. Die Ärzte haben eine provisorische Klinik in der Nähe des Tahrir-Platzes eingerichtet, um Demonstranten dort zu behandeln. Rund 38 Oppositionsgruppen haben zu dem Massenprotest am Dienstagnachmittag aufgerufen.

Zahlreiche Demonstranten waren bereits am Morgen auf dem Platz, sie hatten dort übernachtet. Die Aktivisten wollen den regierenden Militärrat zwingen, die Verantwortung an eine zivile Regierung zu übergeben. Die einflussreiche Muslimbruderschaft hat indes angekündigt, nicht an der Kundgebung teilzunehmen. Die Islamisten rechnen sich bei den am Montag beginnenden Parlamentswahlen gute Chancen aus.

Unterdessen erhebt Amnesty International schwere Vorwürfe gegen die Militärführung: In Ägypten würden die Menschenrechte heute stärker mit Füßen getreten als zu Zeiten des gestürzten Staatschefs Hosni Mubarak, heißt es in einem Bericht der Organisation.

Menschenrechte werden mit Füßen getreten

Amnesty wirft dem Militärrat vor, friedliche Proteste regelmäßig gewaltsam aufzulösen. Außerdem sei in den vergangenen Monaten mehr als 12.000 Zivilisten vor Militärgerichten ein unfairer Prozess gemacht worden, heißt es in dem 62 Seiten langen Bericht. Folter gehöre ebenfalls zu den Methoden des Militärs. "Die neuen Machthaber haben einfach die Tradition der Unterdrückung aus der Mubarak-Ära fortgesetzt", sagte Henning Franzmeier, Ägypten-Experte bei Amnesty International.

Das ägyptische Militär sei dem Versprechen, die Menschenrechte zu achten, in keiner Weise nachgekommen. "Ganz im Gegenteil. Die Menschenrechtslage ist in einigen Fällen sogar schlechter als früher", sagte Franzmeier. Der Militärrat hatte die Macht in Ägypten im Februar nach dem Sturz von Langzeitherrscher Mubarak übernommen. Auch diesem Machtwechsel waren wochenlange Proteste auf dem Tahrir-Platz vorausgegangen.

Am späten Montagabend hatte der Militärrat nach dreitägigen Protesten mit 33 Toten und Tausenden Verletzten alle politischen Kräfte des Landes zum Dialog aufgerufen. Wie der arabische Nachrichtensender al-Dschasira berichtete, wurden die Bürger in der Erklärung aufgefordert, Ruhe zu bewahren, um eine Fortsetzung des Demokratisierungsprozesses sicherzustellen.

Zugleich habe der Militärrat sein "tiefes Bedauern" über die Opfer der letzten Tage geäußert. Außerdem sei die Einrichtung einer Kommission zur Untersuchung der gewaltsamen Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften angekündigt worden.

Regierung will zurücktreten

Die Übergangsregierung von Ministerpräsident Essam Scharaf hatte am Montagabend ihren Rücktritt eingereicht. Offen blieb jedoch, ob der Militärrat den Rücktritt akzeptieren wird. Ein Militärsprecher sagte der regierungsnahen Nachrichtenwebsite Al-Ahram Online, der Rat habe noch keine Entscheidung gefällt. Angeblich wollen die Generäle erst einen neuen Ministerpräsidenten suchen, bevor sie Scharaf und seine Mannschaft ziehen lassen.

Bereits vor dem Rücktrittsangebot der Regierung hatte Kulturminister Emad Abu Ghasi aus Protest gegen den Umgang mit den Demonstranten sein Amt niedergelegt. Er werde diese Entscheidung nicht zurücknehmen, sagte Ghasi Al-Ahram. In Ägypten wird vom kommenden Montag an in drei Phasen ein neues Parlament gewählt. Anschließend soll das Land eine neue Verfassung bekommen.

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