Amerikanisch-russisches Verhältnis:Auf verschiedenen Seiten der Front

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Warum noch reden? Barack Obama (li.) und Wladimir Putin (Foto: dpa)

Das Verhältnis zwischen Moskau und Washington ist heute so deprimierend wie nie seit Ende des Kalten Krieges. Moskaus Beschluss, Edward Snowden Asyl zu geben, war für US-Präsident Obama lediglich der letzte kleine Anlass, um den geplanten Gipfel mit dem russischen Staatschef Putin abzusagen. Der wahre Grund für Obamas Absage ist ein anderer.

Ein Kommentar von Hubert Wetzel

Die Zeiten sind zum Glück so, dass ein US-Präsident einem russischen Staatschef ans Schienbein treten kann, ohne dass ein Atomkrieg ausbricht. Das war ja nicht immer so. Der Kalte Krieg hieß Kalter Krieg, weil zwar (zumindest in Europa) nicht gekämpft wurde, es aber jeden Moment zum großen, letzten nuklearen Schlagabtausch zwischen dem Westen und dem Ostblock hätte kommen können. Die Tatsache, dass Barack Obama ein seit Langem geplantes Gipfeltreffen mit Wladimir Putin im Zorn, aber ohne Angst einfach absagen kann, ist daher zunächst einmal ein Beleg dafür, wie viel ungefährlicher die Welt geworden ist.

Es ist aber auch ein Beleg dafür, wie sehr Russland an politischem Gewicht verloren hat. Obama musste sich entscheiden: Hätte er Putin durch ein persönliches Treffen in Moskau geadelt, während der Whistleblower Edward Snowden irgendwo in der russischen Hauptstadt sein Asyl genießt, hätte ihm das daheim im Kongress einen Sturm der Kritik und Entrüstung eingebracht. Das war es Obama offenbar nicht wert. Die Furcht des Präsidenten vor ein paar wütend twitternden Parlamentariern war größer als die Sorge davor, den Herrn im Kreml zu verärgern. Das ist für Wladimir Putin nicht schmeichelhaft.

Weder Respekt noch Rücksichtnahme

Aus amerikanischer Sicht ist Russland heute keine Macht mehr, mit der man sich um jeden Preis einigen muss. Russland ist nicht unwichtig - es ist Vetostaat im Weltsicherheitsrat, es besitzt Atomwaffen, es hat in einigen Regionen der Welt Einfluss und kann den USA dort auf vielerlei Art und Weise Ärger machen. Doch Moskaus Bedeutung für Washington ist vor allem dadurch bestimmt, dass es Amerikas Außenpolitik stören, durchkreuzen oder blockieren kann; was Putin oft und mit Freude tut. Ein Partner, dem man Respekt oder Rücksichtnahme schuldet, ist Russland für die USA hingegen nicht.

Das Verhältnis zwischen den Großmächten ist heute so deprimierend wie nie seit Ende des Kalten Krieges. Es ist noch nicht lange her, da haben die USA und Russland in Gremien wie der Iran-Sechsergruppe oder dem Nahost-Quartett ernsthaft und gemeinsam an der Lösung wichtiger Konflikte gearbeitet. Das ist vorbei. Heute gibt es kein weltpolitisch bedeutendes Problem, bei dessen Bewältigung Moskau und Washington aus Überzeugung an einem Strang zögen. Manchmal, zum Beispiel bei Irans Atomprogramm, überschneiden sich ihre Interessen, dann hocken sie sich zähneknirschend zusammen. Nebenan in Syrien stehen sie dann aber buchstäblich auf verschiedenen Seiten der Front.

Verständlicher Frust

Das ist der wahre Grund für Obamas Absage. Moskaus Beschluss, Edward Snowden Asyl zu geben, war lediglich der letzte kleine Anlass. Obama hätte nach Moskau reisen können, aber nur, um sich mit Putin zu streiten - über Nahost, Abrüstung, Raketenabwehr, Bürger- und Menschenrechte. Unter solch miserablen Umständen lässt man einen Gipfel besser bleiben.

Moskau sieht all das natürlich völlig anders. Putin ist, knapp formuliert, der Meinung, dass der Westen seit dem Untergang der großartigen Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken kein anderes Ziel hat, als Russland zu übervorteilen, zu demütigen, einzukreisen. Dass spätestens seit Obamas Amtsantritt in Washington ein pragmatischer Kollegen sitzt, dem der Kalte Krieg herzlich egal ist und der mit Moskau politische Geschäfte machen will, das hat Putin nicht gemerkt; oder er ignoriert es, weil das Feindbild vom missgünstigen Amerika so gut taugt, um die Repression im eigenen Land zu rechtfertigen.

Obamas Frustration über Putin ist daher verständlich. Auf baldige Besserung darf er nicht hoffen. Immerhin winkt dem Amerikaner eine kleine Entschädigung: Statt nach Moskau wird er ins schöne spätsommerliche Stockholm reisen.

© SZ vom 09.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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