Ambitionen der US-Außenministerin:Hillary Clinton, stets zu Diensten

Clinton steht hoch im Kurs in ihrer Heimat. Sie gilt als Macherin, als Diplomatin, die Klartext spricht. Bislang beteuert sie, für eine zweite Amtszeit nicht zur Verfügung zu stehen. Und an eine erneute Präsidentschaftskandidatur denke sie nicht im Traum. Doch den Verzicht auf eine Rückkehr ins Weiße Haus nehmen ihr nicht einmal Freunde ab.

Reymer Klüver

Hymnisch wird sie gefeiert. Überall. Als "globalen Superstar" oder gar "Rockstar-Diplomatin" bejubelt sie die New York Times. Amerikas größtes Nachrichtenmagazin Time hievt sie aufs Titelfoto und dichtet dazu in Großbuchstaben: "Der Aufstieg smarter Machtpolitik." Und jetzt, an diesem Wochenende, steht sie auch noch im Mittelpunkt eines TV-Dramas im US-Fernsehen. Kaum verschlüsselt erzählt die Polit-Seifenoper ihre schillernde Lebensgeschichte: die Ambitionen als First Lady eines fremdgehenden Präsidentengatten, den vergeblichen Versuch, als erste Frau selbst die Präsidentschaft zu erringen, nun den ausfüllenden Job als Außenministerin einer Weltmacht.

Hillary Rodham Clinton

Hillary Clinton, US-Außenministerin, ist bei den Amerikanern äußerst beliebt. Über ihre Zukunft nach der kommenden Präsidentschaftswahl wird spekuliert.

(Foto: AP)

Kein Zweifel, Hillary Clinton steht hoch im Kurs in den US-Medien - weil sie hoch im Kurs steht bei den Amerikanern: Zwei Drittel aller US-Bürger, finden ihre Außenministerin gut. Damit ist die 64-Jährige die beliebteste Großpolitikerin der USA überhaupt, weitaus populärer als ihr Boss Barack Obama, Amerikas Präsident, dessen Kandidatur ihr vor vier Jahren den Weg ins Weiße Haus versperrt hatte.

Clinton hat gute Noten für ihre Amtsführung erhalten. Das liegt nicht nur an der Energie, mit der sie sich 2009 in ihren neuen Job stürzte (so, wie sie es bisher immer mit neuen Aufgaben gehalten hat), und dem unbestreitbaren Fleiß, den sie seither an den Tag gelegt hat: Mehr als 100 Staaten hat sie als Außenministerin besucht - mehr als jeder ihrer Vorgänger in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Eher liegt es an der Geschmeidigkeit, mit der sie die USA in der Welt vertreten hat, und dem Geschick, mit dem sie im ständigen Washingtoner Machtgerangel ihre Positionen gesichert hat.

Nicht viel übrig von den außenpolitischen Ambitionen

Dabei ist von den großen außenpolitischen Ambitionen, mit denen ihr Boss in die Präsidentschaft ging, nicht viel übrig geblieben. Der Dialog mit China ist schwierig. Russland hat sich einem großen Neuanfang verweigert. Iran und Nordkorea sind nicht zur Räson gebracht. Die US-Friedenspolitik im Nahen Osten ist ein Desaster. Selbst die Beziehungen mit den alten Verbündeten auf der anderen Seite des Atlantiks sind von wiederkehrenden, wechselseitigen Frustrationen geprägt (was zum Teil auch an der naiven Vorstellung der Europäer lag, nach der Wahl Obamas würde alles irgendwie anders werden).

Aber Clinton hat Erfolg, vielleicht gerade weil sie mit einem überdurchschnittlichen Maß an Realismus und Pragmatismus an die enormen Herausforderungen in ihrem Job herangeht: "Ich bin sehr ergebnisorientiert", sagte sie erst kürzlich in einem Interview. Und sie kommt an, weil Amerikas Chefdiplomatin als harte Verhandlerin und vor allem als tough talker gilt, als jemand, der selbst in ihrem Job bereit ist, Klartext zu reden.

"Macherin" im Weißen Haus

Der russische Präsident Wladimir Putin teilt aus in Richtung Amerika? Das kann sie auch: Die Wahlen in Russland, vermerkte sie, seien "unehrlich und unfair" verlaufen. Die arabischen Potentaten verweigern sich dem Wind des Wandels? Sie müssen aufpassen, mahnt Clinton, nicht "im Sand zu versinken". Die Chinesen trumpfen auf und preisen die Überlegenheit ihrer Autokratie angesichts der Dauerkrise in den USA? Erst in dieser Woche gab Hillary Clinton Peking in einer Rede in Ulan Bator - also sozusagen vor der Haustür - trotzig zu verstehen, dass wirtschaftlicher Erfolg ohne politische Freiheit auf Dauer nicht funktionieren werde.

Auch als Außenministerin hat Clinton den Ruf bewahrt, den sie sich spätestens als Senatorin für den Bundesstaat New York erarbeitet hatte: Sie gilt als "Macherin", wie ihre alte Weggefährtin Wendy Sherman, jetzt ihre Staatssekretärin im State Department, konstatiert.

"Was hätte Hillary Clinton getan?"

Schon im vergangenen Jahr, als die Enttäuschung über den Mann im Weißen Haus immer weitere Kreise zog, erschien in der New York Times ein Artikel mit der provokanten Frage: "Was hätte Hillary Clinton getan?" Daily Beast, die Website des Nachrichtenmagazins Newsweek, zitierte gleich mehrere Demokraten, die Clinton rundheraus als "tougher" einschätzten und Obama bescheinigten, "kein Rückgrat" zu haben - im Gegensatz zu ihr. Der linke TV-Talkshow-Guru Bill Maher fragte bissig, ob seine politischen Freunde nicht inzwischen der Katzenjammer befallen müsse, Obama im Vorwahlkampf Clinton vorgezogen zu haben: "Sie jedenfalls weiß, wie man mit schwierigen Männern umgeht."

Und Leslie Gelb, einer von den alten Männern in Washington, die man "old hand" nennt, also ein Insider, der seit Jahrzehnten Zugang zu den engsten Zirkeln der Macht hat, ventilierte offen die Frage, ob Obama seinen Vize Joe Biden nicht besser gegen Hillary Clinton eintauschen sollte. Das hätte erstens den Vorteil, dass der Präsident bei der Wahl seine geringere Popularität bei weißen Männern ein wenig ausgleichen könne. (Bei ihnen schnitt Clinton in den demokratischen Primaries im Jahr 2008 weitaus besser ab als Obama). Zweitens aber hätte es die Nachfolgefrage für 2016 von vornherein geregelt: Einer Vizepräsidentin Clinton wäre schwerlich die Präsidentschaftskandidatur streitig zu machen.

Doch Hillary Clinton war klug genug, sich auf solcherlei Kopfgeburten nicht einzulassen. Vielmehr ließ sie vernehmen, als das Getrommel zu laut wurde, als dass man es im Weißen Haus hätte überhören können, dass sie nicht mehr im geringsten an eine Rückkehr ins Weiße Haus denke. Nach vier anstrengenden Jahren wolle sie aussteigen und stehe in einer etwaigen zweiten Amtszeit Obamas nicht zur Verfügung. Dieses Dementi wiederholt sie seither gebetsmühlenartig. "Nichts", ließ Clinton sich erst in diesem Monat im Insiderblatt Foreign Policy zitieren, nichts könne sie noch einmal zu einer Präsidentschaftskandidatur veranlassen. Die voluminöse Titelgeschichte war indes zweideutig "Head of State" überschrieben. Das lässt sich vordergründig verstehen als "Chef vom State Department", dem US-Außenministerium. Man kann es aber auch anders lesen: Staatschef.

Sie kann sagen, was sie will

Denn sie kann sagen, was sie will: So recht glauben offenbar nicht einmal ihre Freunde, dass sie alle Ambitionen für 2016 aufgegeben hat. Ihre wiederholte Verzichtserklärung ist denn auch ein echter Clinton, in gleich doppelter Hinsicht. Zunächst demonstriert sie untadelige Loyalität gegenüber ihrem einstigen Rivalen: Man soll ihr nicht nachsagen können, sie würde Obamas Präsidentschaft untergraben. Zugleich aber hat ihr die Rückzugsankündigung Luft verschafft. Clinton kann Anfang 2013, völlig unabhängig vom Wahlausgang, in Ehren aus dem Amt als Außenministerin scheiden - und hat sich doch alle Optionen offengehalten, inklusive eines Sinneswandels, der sich stets mit geänderten politischen Verhältnissen rechtfertigen ließe.

Ein anderes, verlockendes Jobangebot hatte sie im vergangenen Jahr zudem ausgeschlagen, eben weil ihr das Amt alle Optionen genommen hätte. "Ich habe kein Interesse", sagte sie klipp und klar, als sich die Spekulationen hartnäckig hielten, sie wolle Nachfolgerin Robert Zoellicks werden. Als amtierende Chefin der Weltbank wäre eine Bewerbung um die US-Präsidentschaft nicht denkbar.

Wöchentliches Tête-à-Tête mit Obama

Tatsächlich hat Clinton in den dreieinhalb Jahren seit ihrem Amtsantritt bemerkenswerte Disziplin bewiesen. Sie ist wirklich, was man im Amerikanischen einen team player nennt (wenn es so etwas in der Politik gibt) - in Deutschland würde man wohl von einem Parteisoldaten sprechen. Sie hat das Amt des amerikanischen Chefdiplomaten rasch ausgefüllt, ohne sich, wie etwa ihr Vorvorgänger Colin Powell, auf fruchtlose Fehden mit dem Weißen Haus einzulassen. In ihrer Amtszeit kam es bislang zu deutlich weniger Reibereien zwischen dem State Department und dem Nationalen Sicherheitsrat im Weißen Haus als sonst.

Mit Obama hat sie vielleicht deshalb eine gute Arbeitsbeziehung entwickelt: Sie ist darauf bedacht, den Führungsanspruch des Weißen Hauses nicht in Frage zu stellen. Er behandelt sie im Gegenzug mit größter Aufmerksamkeit. Jeden Dienstag sind sie nachmittags zum Tête-à-Tête im Weißen Haus verabredet. Doch eine enge Beziehung zwischen Präsident und Außenminister, die diplomatische Großtaten hervorbringt - beispielsweise die Vereinigung Deutschlands zur Zeit George Bush des Älteren und seines Polit-Consigliore James Baker; die Öffnung zu China unter Richard Nixon und seinem Chef-Einflüsterer Henry Kissinger -, hat sich zwischen Obama und Clinton nicht entwickelt.

Niemals Zweifel an ihrer Loyalität

Aber Zweifel an ihrer Loyalität kamen nicht einmal auf. Auch nicht, als deutlich wurde, dass sie - etwa in der Frage der Truppenverstärkungen in Afghanistan - anderer Meinung war als ihr Chef: Sie wollte mehr Soldaten schicken und das vor allem, ohne gleichzeitig ihren Abzug anzukündigen. Doch als Obama seine Entscheidung gefällt hatte, trug Clinton sie ohne Murren mit. Auf der anderen Seite hat ihr Wort auch Gewicht beim Präsidenten. Sie bewegte den zögerlichen Obama, in Libyen einzugreifen - ohne dafür öffentlich die Meriten einzufordern. Pragmatismus pur. Ergebnisorientiert eben.

Vielleicht ist es also am Ende doch allzu sehr dem Reich der Phantasie entsprungen, wenn die Außenministerin in dem Fernsehdrama, das an diesem Wochenende anläuft, zu Protokoll gibt: "Ich hab' den Job als Außenministerin angenommen, weil ich glaube, etwas bewirken zu können. Eleanor Roosevelt, Kleopatra, Elisabeth I. - mit Frauen wie ihnen möchte ich einer Reihe genannt werden."

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