Alternative für Deutschland:Das AfD-Programm und der Mief von 56

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Mitglieder des AfD-Bundesvorstands 2015: Parteichefs Frauke Petry (2.v.li.) und Jörg Meuthen (mitte) sowie Alexander Gauland (li.), Beatrix von Storch (2.v.r.) und Albrecht Glaser (r.) (Foto: dpa)

Der Programmentwurf der Partei enthält manches Seriöse und viel Unseriöses. Sie will offensichtlich zurück in die Zeit, in der man noch schuldig geschieden wurde.

Kommentar von Detlef Esslinger

Manchmal ist es die eine Bemerkung, die so vieles offenbart. Wie seriös eine Partei ist, entscheidet sich nun wirklich nicht danach, wie sie zum Mindestlohn steht. Den kann man für gut oder für schlecht halten - aber was ist von einer Partei zu halten, der auch zum Mindestlohn noch jene Bemerkung einfällt, die es weniger zu dessen Verteidigung als zur Kennzeichnung des eigenen Standpunkts braucht.

Der Mindestlohn wurde beschlossen, lange bevor Flüchtlinge zum Großthema wurden. Trotzdem steht im Programmentwurf der AfD: Er schütze Niedriglohnempfänger "auch vor dem durch die derzeitige Massenmigration zu erwartenden Lohndruck".

Am elitärsten waren schon immer die Elitenverächter

Ende April will die Partei ihr Programm beschließen; es sickert aber gerade durch. Mit diesem Programm wird sie die Frage beantworten, welche Wähler ihre Zielgruppe sein sollen. Die Antwort wird sie durch den Inhalt geben und durch ihren Ton.

Der Entwurf enthält eine Reihe von Forderungen, über die sich seriös streiten lässt, sowie eine längere Reihe von Forderungen, die bestenfalls unseriös sind. Über den Ersatz des Ehegatten- durch ein Familiensplitting sowie die Gesellschafterhaftung bei Banken diskutieren auch andere Parteien. Bargeld kann man als Ausdruck von Freiheit sehen; darin unterscheidet sich die AfD nicht von vielen Menschen, die ihr ansonsten fernstehen.

Und man wird auch noch nicht dadurch zum Rassisten, dass man zum Thema Fachkräftemangel schreibt: "Ausgenommen von der Anwerbung sind Staaten, die aufgrund ihres niedrigen Entwicklungsstandes ihre Fachkräfte dringend selbst benötigen."

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Das ist der eine Teil des Entwurfs. In dem anderen hingegen hält die AfD jede Klimaschutzpolitik für einen "Irrweg", bezeichnet Minarette als "islamisches Herrschaftssymbol". In Krippen und Ganztagsschulen sieht sie Institutionen, die "immer in das Erziehungsrecht der Eltern eingreifen".

Die "Propagierung der Homo- und Transsexualität" lehnt sie ab und will Alleinerziehenden nur noch helfen, falls sie "unverschuldet" in die Lage geraten sind - und bei Scheidungen wieder die Schuldfrage berücksichtigt sehen.

Wer so mit der Welt hadert, der hadert naturgemäß mit dem Staat, den er für diese Welt verantwortlich macht. Also bezeichnet der Entwurf eine "kleine Führungsgruppe innerhalb der Parteien" als "heimlichen Souverän", also benennt er "irrationale Entscheidungen" als Merkmal der parlamentarischen Demokratie. Und wer bestimmt, was irrational ist? Am elitärsten waren schon immer die Elitenverächter.

Mindestlohn, Klimaschutz, Familienpolitik: Ganz verschiedene Felder sind dies, aber gerade, indem die AfD sie alle beackert, gibt sie ein Muster zu erkennen. Sie sehnt sich nach einer verflossenen Epoche, sie glaubt, diese per Beschluss wiederherstellen zu können; zwischendurch streut sie ihre Brandmarkungen ein. Die Erkenntnisse zum Klimawandel werden einfach für irrelevant erklärt. Der Mindestlohn ist ihr ein Vehikel, um Ängste vor "Massenmigration" zu artikulieren.

Gerade in der Familienpolitik zeigt sich das Wesen der AfD: Sie ist illiberal

Die Toleranz gegenüber Lebensformen verwechselt sie mit deren "Propagierung". Gerade in der Familienpolitik zeichnet sich das Wesen dieser Partei ab: Sie ist illiberal, und sie sagt kaum, was sie will, sondern oft, was sie nicht will. Wenn sie ausnahmsweise etwas will, dann zurück in die Zeit, in der man noch schuldig geschieden wurde.

Im ZDF läuft derzeit der Dreiteiler "Ku'damm 56", eine Gesellschaftsstudie aus den Fünfzigern. Schwule durften nicht schwul sein, Nazi-Ärzte wurden nicht mehr Nazi-Ärzte genannt, die Frau hatte dem Mann das Brot zu bereiten. Man muss die darin erzählten Zustände gut finden, um im AfD-Programm eine geistige Heimat zu erkennen. Der Rechtspopulismus dort ist das eine, der Mief das andere.

© SZ vom 23.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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