Aleppo:Ein bisschen Alltag

In der einstigen Handelsmetrople Syriens hoffen die Menschen, dass die jüngst verlängerte Waffenruhe hält.

Von Paul-Anton Krüger

Die Hoffnung hat eine neue Frist bekommen. Bis Mitternacht an diesem Montag soll nun vorerst das "Regime der Ruhe" in Aleppo gelten. Um 72 Stunden wurde die Waffenruhe verlängert in der zwischen Rebellen und syrischen Regierungstruppen geteilten Stadt. Das kündigte am Samstag das russische Verteidigungsministerium an. Etliche vor den Luftangriffen und Kämpfen geflohene Bewohner kehrten laut der Nachrichtenagentur AFP in ihre Häuser in den von Rebellen kontrollierten Stadtvierteln zurück. Schulen und Geschäfte öffneten. Doch alles geschieht quasi unter Vorbehalt. Brechen die Kämpfe um die Wirtschaftsmetropole wieder aus, hat die weiterhin geplante Fortsetzung der Friedensgespräche in Genf unter Vermittlung des UN-Diplomaten Staffan de Mistura kaum eine Chance. Dann würde Syrien wohl für Monate in den Krieg zurückfallen und eine politische Lösung in die Ferne rücken.

Um dem Prozess neuen Schwung zu verleihen, richtet Frankreich an diesem Montag Syrien-Gespräche von Außenministern aus zehn Staaten aus. Jean-Marc Ayrault werde seinen US-Kollegen John Kerry, Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und ihre Kollegen aus Großbritannien, Italien, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Katar, Jordanien und der Türkei in Paris empfangen. Ein Vertreter der EU sollte ebenso dabei sein wie der Chef der im Hohen Verhandlungskomitee (HNC) versammelten syrischen Opposition, Riad Hidschab, hieß es.

Nördlich der Stadt toben die schwersten Gefechte seit Wochen

Das HNC hatte die jüngste Gesprächsrunde in Genf wegen der eskalierenden Kämpfe um Aleppo verlassen, einige Vertreter blieben aber für "technische Gespräche" im Hotel. Mistura hatte daraufhin eine Intervention Moskaus und Washingtons "auf höchster Ebene" verlangt und ein Treffen der Internationalen Unterstützergruppe für Syrien (ISSG) angeregt, der auch Russland und Iran angehören. Sie hatte die Waffenruhe Ende Februar ausgehandelt. Kerry und sein russischer Kollege Sergej Lawrow hatten dann aber bilateral über neue zeitlich und räumlich begrenzte Waffenpausen verhandelt, zuletzt für Aleppo.

Indes gibt es schwere Gefechte in der Umgebung der Stadt. Syrische Kampfjets flogen am Sonntag Dutzende Luftangriffe auf Rebellengruppen und Einheiten der als Terror-Organisation eingestuften Nusra-Front. Der syrische Ableger des Terrornetzwerks al-Qaida ist ebenso wie die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) von der Waffenruhe ausgenommen. Am Donnerstag hatten Nusra-Kämpfer und Rebellen den strategisch bedeutenden Ort Khan Tuman eingenommen, 15 Kilometer südwestlich von Aleppo. Er liegt an der Fernstraße nach Damaskus, der wichtigsten Verbindung des Regimes in die von ihm gehaltenen Teile Aleppos. Es ist die größte Offensive seit Wochen gegen Regierungseinheiten.

Bei den Gefechten kamen am Sonntag mindestens 13 iranische Soldaten um, die für das Regime kämpften. Revolutionsgardisten fungieren als Militärberater, die schiitische Milizen wie die libanesische Hisbollah sowie afghanische und irakische Söldner befehligen. Zudem hat Iran reguläre Soldaten nach Syrien verlegt, nachdem Moskau angekündigt hatte, den Großteil seines Luftwaffenkontingents abzuziehen. Nördlich von Aleppo kam es zu heftigen Kämpfen zwischen dem IS und anderen Gruppen. Die Türkei feuerte mit Artillerie über die Grenze und tötete mehr als 50 IS-Kämpfer

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