Al Qaida:CIA veröffentlicht umfangreiches Bin-Laden-Archiv

Al Qaida: 470 000 Dateien aus dem Archiv von Osama bin Laden sollen einen neuen Einblick in das Innenleben von al-Qaida geben.

470 000 Dateien aus dem Archiv von Osama bin Laden sollen einen neuen Einblick in das Innenleben von al-Qaida geben.

(Foto: AFP)
  • Die USA haben knapp eine halbe Million Dateien aus dem digitalen Nachlass von al-Qaida Chef Osama bin Laden veröffentlicht.
  • Erste Teile des Archivs wurden bereits 2015 veröffentlicht.
  • Das Material soll Einblicke in das Innenleben der Terrororganisation geben.

Der US-Auslandsgeheimdienst CIA hat ein gigantisches Archiv aus dem Besitz des getöteten Al-Qaida-Chefs Osama bin Laden veröffentlicht. Die Menschen erhielten so die Möglichkeit, "weitere Einblicke in die Planungen und Arbeitsweise dieser Terrororganisation zu gewinnen", sagte CIA-Chef Mike Pompeo.

Das nun im Internet frei zugängliche Archiv enthält 470 000 Dateien mit schriftlichen Dokumenten und Videos - die derzeit allerdings aus technischen Gründen nicht erreichbar sind. Beschlagnahmt worden waren die Materialien von dem US-Elitekommando, das Bin Laden im Mai 2011 in seinem Versteck in Pakistan überrascht und erschossen hatte.

Nach Angaben von Forschern des Politikinstituts Foundation for Defense of Democracies, die das Archiv vorab durchforsten konnten, ermöglicht dieses in der Tat neue Einblicke. Die Dokumenten würden helfen, "einige der Leerstellen zu füllen, die wir noch hinsichtlich der Al-Qaida-Führung haben", sagte der Experte Bill Roggio.

Von besonderem Interesse ist ein Video, auf dem zum ersten Mal eine halbwegs aktuelle Aufnahme von Bin Ladens Sohn Hamsa zu sehen ist. Sie stammt von seiner Hochzeit, die offenbar im Iran stattfand. Die Terrororganisation versucht, seit dem Tod ihres Gründers dessen Sohn als einen Führer des terroristischen Dschihads zu profilieren. Bilder des erwachsenen Hamsa gab es aber bislang nicht.

Die Unterlagen zeigen auch, dass Bin Laden noch eine aktive Rolle spielte, obwohl er sich in Pakistan versteckt hielt. Er hatte Kontakt zu etlichen Al-Qaida-Führern weltweit. So erhielten Gruppen wie al Qaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP), al Qaida im Maghreb (AQIM) und die somalische Terrorgruppe al Shabaab Anweisungen von ihm. Auch versuchte er, Einfluss auf die pakistanischen und afghanischen Taliban zu nehmen.

Veröffentlicht wurde jetzt auch das Tagebuch Bin Landes, 228 Seiten mit persönlichen Aufzeichnungen. Daraus geht hervor, dass er darauf gesetzt hatte, vom arabischen Frühling zu profitieren. So kam es etwa schnell zu Al-Qaida-Operationen in Libyen, das durch den Aufstand und den Tod von Muammar al-Gadaffi im Chaos versunken war. Wie die britische Zeitung Guardian berichtet, hielt Bin Laden in seinem Tagebuch auch fest, dass ausgerechnet ein Besuch Großbritanniens und der Geburtsstätte des Dichters Shakespeare ihn zu der Überzeugung brachte, der Westen sei dekadent. Bin Laden hatte als Jugendlicher in Oxford einen Englischkurs gemacht.

Wie das FDD in seinem Magazin Long War Journal berichtet, stammt ein wichtiges Dokument von einem hohen Al-Qaida-Führer, der die Beziehungen zum Iran einordnete. Der Iran wird von Schiiten dominiert, während al Qaida eine Terrororganisation sunnitischer Islamisten ist. Sunnitische Extremisten betrachten Schiiten als Ketzer. In der arabischen Welt galten und gelten Anschläge sunnitischer Terroristen häufig schiitischen Gläubigen.

Dem jetzt veröffentlichten Dokument zufolge hatte Iran aber einige saudische Mitglieder von al Qaida mit Geld, Waffen und der Möglichkeit unterstützt, Trainingslager der radikalislamischen schiitischen Terrormiliz Hisbolla im Libanon zu nutzen.

Im Gegenzug sollten die Al-Qaida-Terroristen in Saudi-Arabien und der Golf-Region insgesamt gegen die Amerikaner vorgehen. Da die Al-Qaida-Mitglieder aber gegen Vereinbarungen verstießen, wurde die Zusammenarbeit beendet, einige Mitglieder der Terrororganisation wurden inhaftiert.

Trotzdem betrachte sich al Qaida nicht als Feind des Iran, sondern als gemeinsamen Gegner der USA, heißt es in dem Bericht. Auch in einem bereits zuvor veröffentlichten Brief Bin Ladens hatte dieser die besondere Bedeutung Irans für seine Organisation betont.

Ansonsten enthalten die Daten so ziemlich alles, was sich auch auf vielen anderen Computern finden würde: persönliche Fotos, E-Mails, Notizen, ein paar Pornos und raubkopierte Filme. Bei bin Laden fanden sich beispielsweise Hollywood-Filme wie Ice Age und einige Episoden von Tom und Jerry. Anscheinend mochte bin Laden auch Mr. Bean und sah die ersten viralen Youtube-Hits und Internet-Memes.

Bereits 2012 und 2015 hatten die USA Teile des Archivs veröffentlicht. Daraus ging hervor: Osama bin Laden wollte die USA bis zum Schluss mit einer neuen, groß angelegten Attacke aus der muslimischen Welt vertreiben. In den Unterlagen fanden sich auch einige Äußerungen zu Deutschland, konkrete Anschlagspläne gab es aber nicht. Ein Ziel al Qaidas war demnach, dass die deutschen Soldaten aus Afghanistan abgezogen würden. Zu diesem Zweck sollten etwa deutsche Journalisten eingeschüchtert werden, deren Berichterstattung die deutsche Politik entsprechend beeinflussen sollte.

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