Aktuelles Lexikon:Politischer Aschermittwoch

Am Aschermittwoch tritt die Politprominenz traditionell in Niederbayern ans Rednerpult. Deftige verbale Kost zum Auftakt der Fastenzeit hat dort eine lange Tradition.

Die Wurzeln des Politischen Aschermittwochs liegen im niederbayerischen Vilshofen. Dort feilschten die Bauern schon im 16. Jahrhundert auf dem Hornvieh- und Rossmarkt nicht nur um die besten Tierpreise, sondern redeten auch über Gott und die Welt.

Seit dem 19. Jahrhundert nahmen sie auch die königlich-bayerische Politik aufs Korn. 1919 rief der Bauernbund aus diesem Anlass erstmals zu einer Kundgebung auf - der Politische Aschermittwoch war geboren.

Nach einer Pause in der Nazi-Zeit nahm die Bayernpartei 1948 den alten Brauch wieder auf. Als fünf Jahre später die CSU mit ihrem späteren Parteichef Franz Josef Strauß dazustieß, entwickelten sich jene legendären Redeschlachten, die den Ruf des Politspektakels begründeten: Jede Partei postierte im Saal des Gegners "Spione", um dessen Attacken möglichst schnell parieren zu können.

1975 räumte die CSU den viel zu eng gewordenen "Wolferstetter Keller" in Vilshofen und zog in das etwa 30 Kilometer entfernte Passau um - dafür übernahm die SPD die geschichtsträchtige Hochburg der "Schwarzen". Hauptschauplatz ist weiter die CSU-Kundgebung in der Passauer Dreiländerhalle mit mehreren tausend Plätzen.

Ebenfalls in Passau teilen unter anderem FDP, Grüne und Linkspartei aus. Serviert werden traditionell Bier und Fischsemmeln. Der Maßkrug auf dem Rednerpult gehört ebenso zum Polit-Kehraus wie rauchgeschwängerte Säle. Inzwischen lädt die Parteiprominenz auch in anderen Bundesländern zu Aschermittwochs-Kundgebungen.

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