Agrarsanktionen:Wie Bauern das russische Embargo abfedern können

Luthertomaten werden geerntet

Einmal reif, muss die Tomate schnell vom Strauch und ihren Abnehmer finden.

(Foto: dpa)

Zwar werden Europas Bauern den Importstopp ihrer Produkte nach Russland spüren. Doch die Ukraine-Krise zeigt ihnen auch, wie wichtig es geworden ist, weltweit möglichst vielfältige Handelsbeziehungen zu knüpfen.

Kommentar von Daniela Kuhr, Berlin

Als Russland vor wenigen Tagen den Import von Fleisch, Milchprodukten, Gemüse und Obst aus mehreren westlichen Ländern stoppte, betonten viele EU-Mitgliedstaaten zwar, dass dieser Schritt nicht gerechtfertigt sei. Aber sie sagten auch, dass er die eigenen Landwirte und Lebensmittelhersteller kaum treffen werde. Weil Russland in den vergangenen Jahren die Hürden für Einfuhren schrittweise höher gesetzt hatte, hätten sie ohnehin nicht mehr viel dorthin geliefert. Das stimmt, doch erinnert die Reaktion ein bisschen an das Verhalten von Kindern. Die lernen eines früh: Wer von einem anderen geärgert wird, tut gut daran, nicht zu zeigen, wie sehr ihn das trifft - damit der andere die Lust an der Schikane verliert.

Denn natürlich werden Landwirte und Lebensmittelhersteller aus den betroffenen Ländern den Importstopp anfangs spüren. Deutschland beispielsweise hat zwar in den ersten fünf Monaten dieses Jahres nur 9000 Tonnen Käse nach Russland geliefert; vor ein paar Jahren war es noch ein Vielfaches davon. Doch ändert das nichts daran, dass für diese Menge nun ein anderer Abnehmer gefunden werden muss. Genau wie für die 9000 Tonnen Schweinefleisch, die Deutschland im gleichen Zeitraum nach Russland exportiert hat.

Unter normalen Umständen sollte es kein Problem sein, dafür neue Käufer zu finden. Doch die Umstände sind nicht normal. Deutschland ist ja nicht das einzige Land, das nicht mehr nach Russland exportieren darf. Die Käse- und Wursthersteller in anderen EU-Ländern stehen vor dem gleichen Problem, genau wie die Obst- und Gemüsebauern in Polen oder Griechenland sowie die Fischer und Milchbauern in Lettland und Litauen. Sie alle müssen nun Fisch, Käse, Wurst, Gurken und Äpfel anderswohin verkaufen.

Dank der Globalisierung werden Krisensymptome abgefedert

Tun sie das nicht, produzieren sie Überschüsse - und das wiederum würde zur Folge haben, dass der Preis verfällt, den sie für ihre Produkte bekommen. Europas Verbraucher mag das freuen, weil Lebensmittel dann billiger werden. Doch für die Landwirte, deren Waren rasch verderben, kann so eine Entwicklung schnell existenzbedrohlich werden. Kritiker der Globalisierung - und mit ihnen viele Kleinbauern - fühlen sich wieder einmal bestätigt darin, dass es falsch war, Europas Landwirtschaft auf den Weltmarkt hin auszurichten. Sie glauben, dass die Preise sehr viel stabiler wären, würden die Bauern nur für den Bedarf der eigenen Bevölkerung produzieren. Verwerfungen, wie sie jetzt infolge der Ukraine-Krise stattfinden, könnten ihnen dann egal sein.

Doch das würde voraussetzen, dass Europa seine Außengrenzen für den Import von Agrarprodukten schließt. Nur so ließe sich verhindern, dass Drittländer den Markt mit billiger Ware überschwemmen. Die würde so billig sein, dass die heimischen Bauern mit ihren deutlich höheren Standards und Produktionskosten nicht mithalten könnten. Führte aber Europa keine Agrarprodukte mehr ein, kämen andere Länder auf die Idee, ihrerseits keine europäischen Autos mehr zu importieren. Oder Maschinen. Oder Flugzeuge. Hunderttausende Arbeitsplätze wären in Gefahr.

Statt den eigenen Markt abzuschotten, wie einige Landwirte sich das erträumen, ist es in jedem Fall sinnvoller, weltweit möglichst vielfältige Handelsbeziehungen zu knüpfen. So lassen sich Krisen am besten abfedern. Das wird sich auch jetzt wieder zeigen: Nur weil Europa mit seinen Lebensmitteln längst Märkte in aller Welt beliefert, können die hiesigen Bauern darauf hoffen, dass sie bald andere Abnehmer für ihr Fleisch und ihr Gemüse finden, zum Beispiel in Asien. Umgekehrt muss Russland neue Lieferanten suchen, etwa in Südamerika. Und somit würden die weltweiten Handelsströme nicht abreißen - sondern sich nur verschieben.

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