EU-Afrika-Gipfel:Wenn Europa die Flucht stoppen will, muss es Wachstum schaffen

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Keine Perspektiven aufgrund mangelnder Investitionen: Ein senegalesischer Viehhirte läuft mit seinen Tieren an einem Industriebetrieb vorbei. (Foto: AFP)

Afrika braucht weniger Entwicklungshilfe und mehr Kapitalismus, Investitionen anstatt Almosen. Das wäre die Partnerschaft auf Augenhöhe, von der die Politik redet.

Kommentar von Bernd Dörries

Auf dem Flughafen von Dakar gibt es einen kleinen Schalter, der für die Betreuung von Senegalesen eingerichtet wurde, die aus Europa zurückkehren. Der Schalter ist immer leer, weil niemand aus Europa zurückkommt, freiwillig schon gar nicht. Der leere Schalter ist ein schönes Symbol dafür, wie verschieden Europa und Afrika über Migration denken.

Die Europäer glauben, mit ein paar Milliarden Euro und Betreuungsprogrammen für Rückkehrer am Flughafen lassen sich die Afrikaner von Europa fernhalten. Die hingegen sehen wenig Grund dafür, nicht ihr Glück zu versuchen - weder die Menschen noch ihre Regierungen, die auf dem gemeinsamen Gipfel von Afrikanischer und Europäischer Union in der Elfenbeinküste über das Thema "Jugend" sprechen.

Natürlich wird es ein Abschlussdokument geben, in dem dann von echter Partnerschaft die Rede sein wird und von geteilter Verantwortung. Mit der Realität hat all das aber wenig zu tun.

In Europa werden Millionen junge Afrikaner als Bedrohung gesehen, bald könnten sie vor der Tür stehen. In Afrika sind sie Glücksucher, die ihren Familien Geld schicken, wenn sie es über das Meer geschafft haben. In der Summe handelt es sich da um mehr Geld, als die Europäer mitbringen auf den Gipfel, weshalb viele afrikanische Regierungen nur halbherzig bei der Bekämpfung der Migration mitmachen, wenn überhaupt.

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Für Europa ist Afrika ein Kontinent der Angst

Natürlich haben auch die EU und Deutschland erkannt, dass Europa so lange in den Köpfen, in den Gesprächen und den Träumen der afrikanischen Jugend sein wird, solange es dort keine eigenen Träume gibt. Entwicklungshilfeminister Gerhard Müller hat mit seinem Marshallplan zu Recht den Fokus auf neue Arbeitsplätze gerichtet. Es ist ein kleiner Schritt, Afrika aus der Opferrolle zu befreien, in die es nicht zuletzt die vielen Entwicklungshelfer gebracht haben, die mit Bildern von aufblähten Hungerbäuchen um Spenden betteln und so das Image Afrikas prägen.

Getragene Kleidung kann man dort gebrauchen, aber keine Fabriken. Mitgefühl ist gut, besser aber wäre es, Afrika auch als Markt zu sehen. Afrika braucht weniger Entwicklungshilfe und mehr Kapitalismus, Investitionen anstatt Almosen. Das wäre die Partnerschaft auf Augenhöhe, von der die Politik nun redet. Politiker aber können oft nur einen Rahmen schaffen, und dann warten, ob der von der Wirtschaft gefüllt wird.

In diesem Kontext kann man schon mal fragen, warum die deutsche Wirtschaft einen so großen Bogen um Afrika macht. Warum engagiert sich die Deutsche Bahn bei der Paketzustellung in Nordwest-Finnland, bietet aber nicht für die neuen Bahnstrecken in Äthiopien? Warum hat Volkswagen den Kontinent eigentlich fast verschlafen und den Japanern und Chinesen überlassen, die Hunderttausende Minibusse verkaufen, gebaut nach den Wünschen der afrikanischen Kunden. Warum schaut die Telekom zu, wie sich die Konkurrenz den Milliardenmarkt des Mobilfunks aufteilt?

Man tut es, weil man Afrika nicht ernst nimmt, weil man dort nur Probleme sieht und keine Chancen. Wenn ein schwäbische Mittelständler eine Fabrik in Vietnam eröffnet, kann er damit im Tennisclub prahlen. So etwas wäre auch in Afrika möglich. Chinesische und türkische Investoren zeigen gerade, wo gute Geschäfte gemacht werden. Für Europa ist Afrika indes ein Kontinent der Angst. Dabei wäre jetzt ein guter Augenblick für mehr unternehmerischen Mut gekommen.

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© SZ vom 29.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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