Afrika:Warum der Hunger nach Äthiopien zurückkehrt

Äthiopien

Unternernährte Kinder warten vor einer Gesundheitsstation in der Oromia-Region in Äthiopien.

(Foto: REUTERS)
  • Im Süden und Osten Afrikas droht wegen anhaltender Dürre Millionen von Menschen der Hungertod. Besonders Äthiopien ist betroffen.
  • Grund ist das Wetterphänomen El Niño, das etwa alle zwei bis sieben Jahre auftritt und diesmal so heftig wütet wie lange nicht mehr.
  • Die Lage ist aber nicht vergleichbar mit der Hungerkatastrophe von 1984 als das kommunistische Regime die Not der Menschen noch verschärfte.

Von Isabel Pfaff

Seit 30 Jahren habe es in Äthiopien keine solche Dürre gegeben wie jetzt. Die Worte des UN-Generalsekretärs beim Gipfel der Afrikanischen Union in Addis Abeba sind deutlich: 10,2 der mehr als 100 Millionen Äthiopier seien momentan auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen, in wenigen Monaten könne sich die Zahl verdoppeln, so Ban Ki Moon am Sonntag vor den Staatschefs des Kontinents.

Sofort sind sie wieder da, die Bilder, die sich in den 1980er-Jahren ins Gedächtnis der Welt gebrannt haben: Hungerbäuche, spindeldürre Gliedmaßen, Fliegen auf Kindergesichtern. Viele Menschen im Westen verknüpfen Äthiopien bis heute mit Trockenheit, Missernten, Hunger. Dabei liegt die Katastrophe von 1984 mit geschätzt einer Million Hungertoten Jahrzehnte zurück. Das Land am Horn von Afrika hat seitdem einen enormen Sprung gemacht. Es zählt zu Afrikas Entwicklungsdiktaturen: zwar semiautoritär regiert, doch ökonomisch erfolgreich.

80 Prozent der Äthiopier sind auch heute noch abhängig von der Landwirtschaft

Äthiopiens Wirtschaft verzeichnet zweistellige Wachstumsraten, die Regierung investiert in den Ausbau der Infrastruktur und die Modernisierung der Wirtschaft. Die ersten asiatischen Unternehmen verlagern Industriezweige in das bevölkerungsreiche Land. Es erscheint absurd, dass nun wieder eine Hungersnot droht - als sei in der Zwischenzeit nichts passiert. Doch es hat sich eben nicht alles verändert: 80 Prozent der Äthiopier sind auch heute noch abhängig von der Landwirtschaft. Bleibt der Regen aus, stirbt ihr Vieh, vertrocknen ihre Felder. Vor allem der Osten und der Süden des Landes neigen zu Dürren.

Die Rekord-Trockenheit hat auch Malawi, Mosambik und Südafrika erfasst. Im gesamten südlichen Afrika sind nach Schätzungen der Vereinten Nationen etwa 14 Millionen Menschen akut von Hunger bedroht - obwohl die betroffenen Staaten nicht zu den notorischen Armutskandidaten Afrikas zählen.

Die anhaltende Dürre geht auf das Wetterphänomen El Niño zurück

In Südafrika, der zweitgrößten Volkswirtschaft des Kontinents, drohen zwar keine Hungertoten, doch die ungewöhnliche Hitze trifft die Farmer empfindlich, die normalerweise genug für den heimischen Bedarf und den Export produzieren. Die Erntevorhersagen für Mais, eines der wichtigsten Produkte des Landes, gehen von einem Rückgang um 25 Prozent aus. Inzwischen explodieren am Kap die Lebensmittelpreise.

Die anhaltende Dürre in der Region führen Meteorologen auf das Wetterphänomen El Niño zurück, das etwa alle zwei bis sieben Jahre auftritt und Experten zufolge diesmal so heftig wütet wie seit einer ganzen Generation nicht mehr. An den Pazifikküsten Mittel- und Südamerikas löst El Niño meist Stürme und Überschwemmungen aus; im Osten und Süden Afrikas hingegen Trockenheit.

Äthiopiens Regierung hat viel getan, um die Bevölkerung zu schützen

Spätestens seit dem Jahreswechsel schlagen Hilfsorganisationen Alarm: 1,3 Milliarden Euro seien allein nötig, um in Äthiopien in diesem Jahr die erforderliche Nothilfe leisten zu können. "Die Arbeit des Welternährungsprogramms ist erst zu einem Viertel finanziert", sagt Maria Smentek, Berliner Sprecherin der UN-Organisation (WFP). "Das System für die Nothilfe ist etabliert, die Helfer sind vor Ort. Was jetzt gebraucht wird, ist die internationale Unterstützung."

Äthiopien selbst, sagt Smentek, habe zusammen mit den Hilfsorganisationen schon früh um Unterstützung gebeten und sich finanziell stark selbst an den Nothilfemaßnahmen beteiligt - mit bisher 300 Millionen Dollar. Vizeministerpräsident Demeke Mekonen sagte am Sonntag beim Besuch des UN-Generalsekretärs in Addis Abeba, die Regierung schichte gerade Gelder im Haushalt um, damit sie knapp die Hälfte der 2016 benötigten Mittel selbst bereitstellen kann.

"Zudem hat die Regierung in den vergangenen Jahren viel getan, um die Bevölkerung besser vor den Folgen von Dürren zu schützen", sagt Smentek. Es gebe sehr gute Frühwarnsysteme, außerdem Hunderte Gesundheitszentren im ganzen Land, die die Ernährungssituation der Bevölkerung überwachen. Diese Arbeit trage jetzt Früchte, sagt die WFP-Sprecherin; ohne sie wäre die aktuelle Lage noch viel dramatischer. Ein anderes Bild also als Mitte der Achtziger, als in Äthiopien der Derg herrschte, eine kommunistische Militärjunta, die die Hungerkrise zunächst zu vertuschen versuchte und sie dann mit Kollektivierungen und bewaffneten Übergriffen noch verschärfte.

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