Afrika:Ein Hoffnungsträger für Äthiopien

Abiy Ahmed

Abiy Ahmed, neuer Ministerpräsident von Äthiopien, im Parlament in Addis Abeba

(Foto: REUTERS)

Ministerpräsident Abiy krempelt das autoritäre Regime des Landes um. Unter anderem will er besetzte Gebiete an den Nachbarn Eritrea zurückgeben.

Kommentar von Bernd Dörries

Eigentlich hat das äthiopische Parlament den Ausnahmezustand im Land am Dienstag beendet, es hat mit großer Mehrheit dafür gestimmt, wieder Normalität einkehren zu lassen, die Notstandsverordnungen aufzuheben. Letztlich ist das Land aber natürlich weiter in einem ziemlichen Ausnahmezustand. Es ist ein Zustand der Hoffnung und der Euphorie, der sehr viele der 100 Millionen Einwohner ergriffen hat. Solche Gefühle waren in Äthiopien in den vergangenen Jahren eher die Ausnahme.

Seit zwei Monaten hat das Land am Horn von Afrika nun einen neuen Ministerpräsidenten, von dem die Welt noch kaum Notiz genommen hat - der zu Hause aber bereits als die lokale Version von Barack Obama gefeiert wird. Abiy Ahmed ist gerade dabei, in einem atemberaubenden Tempo ein autoritäres Regime umzukrempeln, ein ganzes Land neu zu erfinden. In den vergangenen acht Wochen hat er die Politik von Jahrzehnten rückgängig gemacht.

Er hat Tausende politische Gefangene freigelassen, sich mit Oppositionellen fotografieren lassen, die einen Tag zuvor noch in der Todeszelle saßen. Abiy hat dem Erzfeind Eritrea Frieden angeboten und will einige umstrittene Gebiete an den Nachbarn zurück geben, die es besetzt hält. Er hat die oppositionellen Medien im Ausland zur Rückkehr aufgerufen. Und das nicht, um sie dann einzusperren.

Man darf auf einmal sagen, was man will in Äthiopien, und der Präsident hört zu. Er tourt durch die Regionen und spricht mit denen, die in den vergangenen Jahren zu Hunderttausenden auf die Straße gegangen sind, die unzufrieden waren mit dem Regime. Über Jahrzehnte hatte die kleine Ethnie der Tigray die Mehrheit der Oromo und Amharen beherrscht. Abiy ist nun der erste Premier der Oromo, der größten Ethnie Äthiopiens. "Jetzt sind wir dran", so lautet meist die Devise, wenn in Afrika eine Ethnie die andere an der Macht ablöst. Es ändert sich nichts, außer, dass das Geld nun auf die Konten einer anderen korrupten Elite fließt. Abiy scheint einen anderen Ansatz zu wählen, ein Äthiopien für alle schaffen zu wollen. Es ist ein äthiopischer Frühling, der sich - anders als die gescheiterten Revolutionen in Nordafrika - vielleicht auch in den Sommer retten kann.

Ministerpräsident Ahmed wird als lokale Version von Barack Obama gefeiert

Abiy ist immer noch Teil eines Regimes, einer Einheitspartei, die nicht demokratisch an die Macht gekommen ist, deren oberstes Prinzip der Selbsterhalt ist, deren Verbrechen womöglich ungesühnt bleiben werden. Andererseits hat der 41-Jährige auch klargemacht, dass er das System von innen neu definieren will, dass er auch die Macht des Militärs beschneiden möchte, das sich ein Reich von lukrativen Firmen aufgebaut hat. Es wird ein harter Kampf, wenn er ihn wirklich führen will. Die Unterstützung der Bevölkerung ist ihm sicher. Die der Internationalen Gemeinschaft könnte auch nicht schaden; der Rest der Welt ist aber sehr mit anderen Dingen beschäftigt. Dabei wäre es gar nicht so schwer, dem neuen Premier zu helfen auf seinem Weg.

Abiy ist dabei, Äthiopien zu einem neuen Land zu machen, das man auch so behandeln sollte. Nicht als reinen Hilfsempfänger, sondern als ein Land mit moderner Infrastruktur, in dem deutsche Unternehmen mit etwas mehr Mut auch gute Geschäfte machen können. In einem Land, das zu den schönsten der Welt gehört, dessen grüne Berglandschaften so gar nichts zu tun haben mit den Afrika-Zerrbildern, die in Europa kursieren. Es ist gerade ein guter Zeitpunkt, sich das als Tourist einfach mal selber anzuschauen.

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