Afghanistan:Trumphaft

Der amerikanische Präsident verkündet seine Afghanistan-Strategie: Es ist im Wesentlichen die alte, wie schon unter Obama. Statt Rückzug mehr Soldaten, mehr Anti-Terror-Krieg. Aber vom Aufbau einer Nation kann ohnehin am Hindukusch keine Rede mehr sein.

Von Tomas Avenarius

Jene Rede, mit der US-Präsident Donald Trump nun seine neue Afghanistan-Strategie vorgestellt hat, muss der Welt nicht weiter in Erinnerung bleiben: Die neue Strategie unterscheidet sich nicht groß von der alten. Trump hatte seinen Wählern versprochen, die 8500 Soldaten aus dem längsten Krieg der US-Geschichte heimzuholen. Doch nun macht er am Hindukusch das Gegenteil davon - und damit fast genauso weiter wie sein Vorgänger Barack Obama. Trump schickt sogar noch ein paar weitere Tausend Mann in Uniformen nach Afghanistan.

Mehr Truppen, mehr militärische Ausbildung, mehr Anti-Terror-Krieg? Eigentlich hatte er Ausstieg, Rückzug oder gar die Übergabe des Kriegs an ein hoch bezahltes amerikanisches Söldnerheer in Aussicht gestellt. Trump weiß, dass er ziemlich blamiert vor seinen Anhängern steht. Aber er hat keine Wahl. Seine Generäle haben ihm klargemacht, was geschehen würde, wenn er die eigenen Soldaten zu früh heimholt. Die Taliban, seit Längerem wieder auf dem Vormarsch, würden Kabul erobern, und Afghanistan wäre bald wieder das, was es von 1996 bis 2001 war: ein Terror-Emirat.

In seiner ganzen Trumphaftigkeit hob der Präsident das angeblich Neue an der Strategie kraftmeiernd hervor: "Wir betreiben nicht länger Nation-Building. Wir sind hier, um Terroristen zu töten." Aber vom Aufbau einer Nation kann am Hindukusch ohnehin schon lange keine Rede mehr sein.

Die Kabuler Armee kann den Taliban nicht Paroli bieten

Washington und verbündete Regierungen - wie die in Berlin - wurschteln im Dialog mit einer komplett unfähigen Regierung in Kabul weiter, während die amerikanischen Truppen und ihre Nato-Kameraden afghanische Infanteristen und Piloten ausbilden. Nebenbei unterstützen sie sie im Kampf gegen die Taliban und den in diesem Land bisher noch nicht allzu starken Islamischen Staat (IS). Das funktioniert schlecht, verhindert aber das Allerschlimmste. Die Kabuler Armee wird besser, sie ist aber nicht gut genug, den Taliban Paroli zu bieten. Und der Einsatz von US-Elitetruppen und Drohnen gegen die Korankrieger oder gegen den IS wird nicht zum Sieg führen, solange die Aufständischen Helfer bei den Regionalmächten finden. Und da wird es richtig kompliziert.

Pakistan und die Golfstaaten sind alte Förderer der Taliban, neuerdings kungeln auch Russen und Iraner eng mit den Kalaschnikow-tragenden Koranschülern. Das macht den Afghanistan-Krieg zu einem Konflikt, in dem es um mehr geht als die Taliban und ihre Vorliebe für einen steinzeitlichen Gottesstaat. Ausgerechnet beim Umgang mit den einflussreichen Nachbarstaaten will der Afghanistan-Stratege Trump allerdings wirklich etwas anders machen. Er hat verkündet, den Druck auf Islamabad zu erhöhen, um die Rückzugsräume der Taliban zu blockieren.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Taliban-Führer seit Jahren bequem und sicher in Pakistan hocken. Islamabads Geheimdienst benutzt die Taliban als wirkungsvollen Hebel in einem anderen existenziellen Konflikt: im Dauerstreit mit dem Riesen Indien. Das liegt im Osten. Pakistan betrachtet Afghanistan als Ausweichterritorium im Westen. Den Schlüssel dazu liefern eben die Taliban.

Das ist verwerflich, ja. Aber dieses Spiel läuft seit Jahrzehnten so. Wer Afghanistan befrieden will, muss Pakistans Interessen einpreisen und auch die Regionalmacht Indien entsprechend zügeln. Trump hingegen macht den Indern in letzter Zeit auffällige Avancen. Möglicherweise denkt er: Islamabad ist Partner meiner Lieblingsfeinde in Peking; was dem Pakistaner schadet, tut auch dem Chinesen weh. Das wäre riskant. Sollte Trump die Pakistaner reizen, könnte er neben den Dauerkonflikten mit Nordkorea und Iran bald eine echte Atommacht zum Feind haben: Pakistan.

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