Afghanistan:Taliban greifen Kundus-Stadt an

Afghanistan: Ein afghanischer Polizist hat im Kampf gegen die radikalislamischen Taliban in Kundus Stellung bezogen.

Ein afghanischer Polizist hat im Kampf gegen die radikalislamischen Taliban in Kundus Stellung bezogen.

(Foto: Bashir Khan Safi/AFP)

Kurz bevor die internationale Geberkonferenz weitere Hilfen für Afghanistan beschließen soll, eskaliert im Norden des Landes die Gewalt.

Die radikalislamischen Taliban haben in der Nacht zum Montag einen schweren Angriff auf die Hauptstadt der nordafghanischen Provinz Kundus begonnen und sich mit Sicherheitskräften Kämpfe am Stadtrand geliefert. Das bestätigte am Montag das Provinzratsmitglied Amruddin Wali. Auf beiden Seiten habe es Opfer gegeben. Der Angriff kommt fast genau ein Jahr, nachdem die Taliban die Provinzhauptstadt zum ersten Mal erobert hatten. Ende September und Anfang Oktober 2015 hatten sie Kundus-Stadt fast zwei Wochen lang in ihrer Gewalt. Es war der erste große territoriale Gewinn der Islamisten seit Beginn der internationalen Intervention in 2001 und ein Schock für die afghanische und ausländische Regierungen.

In wenigen Tagen beginnt die elfte internationale Geberkonferenz für Afghanistan in Brüssel. Die Frage, wie den Menschen im Land geholfen werden kann, steht auf der Agenda. Die Taliban behaupteten am Montag in einer Stellungnahme, die bisherigen Konferenzen hätten den Afghanen "nicht das Mindeste gebracht": Das Geld sei entweder in die Taschen internationaler Vertragspartner oder in die der "korrupten Beamten" der afghanischen Regierung geflossen. Bei der Geberkonferenz werden Vertreter von bis zu 70 Regierungen und 30 Organisationen über die Hilfe für Afghanistan bis Ende 2020 entscheiden. Es wird erwartet, dass sie sich verpflichten werden, dem Land jährlich mehr als drei Milliarden Euro zukommen zu lassen.

Der Angriff auf Kundus durch die Taliban hat laut Polizei von vier Seiten aus gegen zwei Uhr morgens begonnen. Spezialkräfte seien im Einsatz. Die Taliban seien auf der Flucht. Ein Bewohner von Kundus sagte: "Meine Familie und ich sind in einem Keller einen Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Die Taliban sind auf den Dächern der Nachbarn. Wir hören Schüsse und Jets und Helikopter."

Bei der Explosion einer an einem Motorrad befestigten Bombe wurden am Montag im nordafghanischen Dschausdschan sechs Menschen auf einem Marktplatz getötet und mehr als 30 verwundet. Das sagte der Polizeisprecher der Provinz. Bis Redaktionsschluss hatte sich keine Extremistengruppe zu der Tat bekannt. Die Polizei nimmt an, dass auch hinter diesem Anschlag die Taliban stecken.

In der Provinz Kundus war von 2003 bis 2013 die Bundeswehr im Einsatz. Zu Beginn schätzte die Bundeswehr die Provinz als "ruhig, aber nicht stabil" ein. Ab 2007 eskalierte die Gewalt. Am 4. September 2009 ordnete ein Bundeswehr-Oberst einen Luftangriff auf zwei von den Taliban gekaperte Tanklastzüge an, bei dem auch viele Zivilisten starben.

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