Afghanistan:Schutzgeld für die Taliban

Damit private Transportfirmen ihre Konvois sicher zu den Nato-Stützpunkten in Afghanistan bringen können, müssen sie Schutzgeld zahlen. So gelangt Steuergeld in die Hände der Taliban.

Der Westen finanziert indirekt die Aufständischen in Afghanistan. Denn die Nachschub-Konvois zahlen Schutzgeld, damit sie überhaupt die Nato-Basen im Süden des Landes erreichen, berichtet die britische Times.

Afghanistan: Ein Lastwagen wird in der zentralafghanischen Provinz Bamyan von einem Polizeijeep eskortiert.

Ein Lastwagen wird in der zentralafghanischen Provinz Bamyan von einem Polizeijeep eskortiert.

(Foto: Foto: AFP)

"Outsourcing" der militärischen Versorgung

Das britische Militär und andere Armeen haben Verträge mit angloamerikanischen und europäischen Logistikunternehmen geschlossen, die die westlichen Militärbasen in Afghanistan mit Treibstoff, Nahrungsmitteln und Ausrüstung versorgen.

Der Transport wird aber über lokale Subunternehmer abgewickelt. Der Nachschub kommt über die pakistanische Hafenstadt Karatschi in die Region. Dann müssen die lokalen Transportunternehmen das Risiko der immer gefährlicher werdenden Straßen südlich von Kabul auf sich nehmen. Die Konvois werden von lokalen Sicherheitsfirmen geschützt. Durch dieses "Outsourcing" der militärischen Versorgung gelangen Steuermillionen an die Taliban, schreibt das Blatt.

Ein Viertel jeder Lastwagenladung

Die fragwürdigen Zahlungen seien von mehreren Treibstoffimporteuren sowie Unternehmern aus der Transport- und Sicherheitsbranche bestätigt worden. Sie wollen ungenannt bleiben - wegen der Gefahr für ihr Unternehmen und ihr Leben. "Wir schätzen, dass etwa 25 Prozent des Geldes, das wir dafür zahlen, den Treibstoff sicher abzuliefern, in die Taschen der Taliban wandert," sagt ein Benzinimporteur. In den Worten eines anderen Transporteurs: Ein Viertel an Wert jeder Lastwagenladung geht an Talibankommandeure.

Die Nato-Militäroperation verbraucht unglaubliche Mengen an Treibstoff, Nahrungsmitteln und Ausrüstung. Das britische Hauptquartier, Camp Bastion in der Provinz Helmand, benötigt allein mehr als eine Million Liter an Diesel und Flugzeugtreibstoff pro Woche, so die Zeitung. Nahrungsmittel und Ausrüstung für mehr als 70.000 Soldaten müssen importiert werden, so gut wie alles davon wird über den Landweg hergeschafft. Und die USA planen, nächstes Jahr noch 20.000 Mann Verstärkung nach Afghanistan zu schicken.

Wenn man den Nachschub nicht einfliegen will, bleibt nur die Route durch Pakistan und die Taliban-kontrollierten Gebiete in Afghanistan. Die Sicherheitsfirmen wiederum konkurrieren um die Konvois entlang der Hauptroute südlich von Kabul. Für den Schutz eines Lastwagens berechnen sie etwa 1000 Dollar. Ein Konvoi besteht in der Regel aus 40-50, manchmal aber auch aus bis zu hundert Lkw.

"Alle sind hungrig"

Auf die Frage, ob die afghanischen Sicherheitsunternehmen Geld an die Taliban zahlen, um in Ruhe gelassen zu werden, antwortet einer der Firmeninhaber: "Alle sind hungrig, alle brauchen etwas zu essen. Sie greifen die Konvois an, weil sie keine Arbeit haben. Noch einfacher ist es, Geld dafür zu nehmen, sie nicht anzugreifen."

Bis vor 14 Monaten seien die Sicherheitsleute noch in der Lage gewesen, Konvois ohne Zahlungen zu schützen. Seitdem seien die Angriffe so heftig geworden, dass es unmöglich sei, den Gruppierungen, die die Route kontrollieren, nichts zu zahlen. Auf der Kandahar-Route habe es täglich Angriffe gegeben. Am 24. Juni sei ein Konvoi von 50 Lastwagen zerstört worden, sieben Fahrer wurden am Straßenrand geköpft. Ein Konkurrenzunternehmen stelle mittlerweile bereits Taliban-Kämpfer als Eskorte für die Konvois an. "Die sitzen im ersten Fahrzeug", sagt der Unternehmer.

Lieutenant-Commander James Gater, Sprecher der Nato-Streitkräfte in Afghanistan, erklärte zu der Frage der Nachschub-Transporte, dies sei eine Angelegenheit der lokalen Transportunternehmen. "Zwei Unternehmen mit Firmensitz in Europa liefern Nahrungsmittel und Treibstoff. Aus vertraglichen Gründen können wir ihre Namen nicht nennen. Die sorgen als Teil der vertraglichen Leistung selbst für die Sicherheit der Transporte. Diesen Unternehmen steht es frei, Subunternehmer ihrer Wahl zu beauftragen."

Gater fügt hinzu: "Natürlich wissen wir, dass sie Unternehmen aus dem Land, in dem sie arbeiten, beauftragen. In Afghanistan bevorzugen sie eben afghanische Transportunternehmen. Das ist ihre unternehmerische Entscheidung." Ein Vertreter der schweizerischen Supreme Global Solutions bestätigte, dass das Unternehmen Versorgungsverträge mit den Streitkräften in Afghanistan abgeschlossen hat. Die Firma streitet jedoch ab, Schutzgeld zu zahlen.

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