Nato geht auf Taliban zu:Des Kämpfens müde

Zu viele Sprengfallen, zu viele Hinterhalte: Der Westen verstärkt seine Bemühungen, mit den Taliban zu reden - aber zu welchem Preis? Schließlich muss auch der schwierige Partner Pakistan Teil einer Lösung sein.

Tobias Matern

Es klingt bizarr. Kriegspartei eins (Nato) fliegt angeblich ranghohe Vertreter von Kriegspartei zwei (Taliban) zu Treffen mit Kriegspartei drei (afghanische Regierung). Die kooperiert mit Kriegspartei eins und ist noch viel zu schwach, um ohne Unterstützung zu agieren. So schreibt es die New York Times, und ein echtes Dementi gibt es von Kriegspartei eins, also von der Nato, dazu nicht. Auf der anderen Seite liefert sich eben diese Allianz weiterhin Tag für Tag blutige Gefechte mit den Taliban, tötet Aufständische gezielt aus der Luft, verliert Soldaten, die mit ihren Fahrzeugen in Sprengfallen oder Hinterhalte der Aufständischen geraten.

Nato geht auf Taliban zu: US-Soldat untersucht einen mutmaßlichen Taliban.

US-Soldat untersucht einen mutmaßlichen Taliban.

(Foto: AP)

Wie passt das zusammen? Hat - trotz der Kämpfe - etwa doch schon der Prozess Fahrt aufgenommen, an dessen Ende der Frieden am Hindukusch stehen soll und den der Westen so sehnsüchtig erhofft? Keineswegs. Es herrscht weiterhin Krieg in weiten Teilen Afghanistans, es sterben so viele Soldaten wie nie seit dem Einmarsch westlicher Truppen. Von einem wie auch immer gearteten Frieden ist das Land weit entfernt.

Das sind banale Erkenntnisse. Aber es ist wichtig, sie zu erwähnen in Zeiten, in denen sich die Meldungen darüber häufen, dass hochrangige Vertreter der einen Seite mit mindestens ebenso hochrangigen Vertretern der anderen Seite reden. Um genau zu sein: Sie reden darüber, ob sie vielleicht irgendwann miteinander über Frieden reden wollen, in naher Zukunft. Viel mehr Annäherung ist da bislang nicht.

Aber immerhin haben Kriegspartei eins und zwei damit begonnen, einen pragmatischeren Umgang miteinander zu pflegen. Das ist für den Westen, der des Kämpfens müde ist und auf Verhandlungen setzt, ein kleiner Fortschritt. Ein Taliban-Kommandeur, der von seinem Versteck in Pakistan aus nach Afghanistan reist, kann sich nun immerhin einmal anhören, was die Mittelsmänner der Karsai-Regierung anbieten, ohne dabei ins Visier der Nato zu geraten.

Aber: Der Westen ist offenbar auch bemüht, selbst direkte Kontakte herzustellen und Pakistan von der Gesprächsanbahnung mit den Islamisten auszuschließen. Das Nachbarland wiederum gewährt den Taliban Unterschlupf und will den aktuellen Prozess mitsteuern, denn Pakistan fürchtet einen westlichen Abzug aus der Region und eine feindlich gesinnte Regierung in Kabul.

Furcht vor übergroßen Kompromissen

Es ist unwahrscheinlich, dass sich der pakistanische Geheimdienst heraushalten wird; er hat sich schon zuvor eingemischt. Seine Verbindungen zu einem Teil der Islamisten sind weiterhin eng; zu Beginn des Jahres verhaftete der Geheimdienst ranghohe Taliban, die auf eigene Faust in Kabul Gespräche führten. Deshalb gilt: Auch wenn Islamabad ein schwieriger Partner ist, so muss es in eine angestrebte Friedenslösung einbezogen werden, weil Pakistan den Prozess sonst aushebeln wird.

Kontakte, wie sie im Moment angebahnt werden, bedeuten noch lange nicht, dass die Islamisten sich auf jene Bedingungen für eine Aussöhnung einlassen werden, die Kabul und der Westen gebetsmühlenartig wiederholen. Warum sollten die Aufständischen die Waffen niederlegen und sich der afghanischen Verfassung beugen, die ihrer Überzeugung in vielen Passagen entgegensteht? Sie sind nicht so geschwächt, dass sie einen Frieden schließen müssten. Ein Ende des Krieges wird es nach jetzigem Stand nur geben, wenn Karsai und der Westen mehr Zugeständnisse machen. Nicht nur für Afghanistans Frauen ist das eine beunruhigende Aussicht.

Die Furcht vor übergroßen Kompromissen ist der Tatsache geschuldet, dass auch neun Jahre nach Beginn des Einsatzes Verhandlungen mit den Taliban nicht aus der Position der Stärke heraus geführt werden können. Zwar teilen die Taliban und der Westen einen Wunsch: Beide wollen die Nato schnellstmöglich aus Afghanistan heraushaben. Der Staatengemeinschaft aber läuft, im Gegensatz zu den Islamisten, die Zeit davon.

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