Afghanistan:Mord in der Moschee

Der Gouverneur von Kundus kämpfte für ein härteres Vorgehen gegen die Taliban. Dass er nun von einem Selbstmordattentäter getötet wurde, ist eine Warnung an die Afghanen - und die Deutschen.

Janek Schmidt

Schwarze Löcher sind dafür bekannt, dass alles Mögliche darin verschwindet, Sterne, Licht und vielleicht sogar Hoffnung. Einen Krater mit ähnlicher Sogkraft wollten Attentäter am Freitag in den Boden der Espinzar-Moschee in der afghanischen Stadt Taloqan bomben.

Mohammed Omar, Hamid Karzai

Mohammed Omar (rechts) und der afghanische Präsident Hamid Karzai im April 2010.

(Foto: AP)

Nur wenige Zentimeter hinter dem Platz, an dem Mohammad Omar, der Gouverneur von Kundus, betete, explodierte Augenzeugen zufolge der Sprengsatz. Dabei starben nicht nur der Spitzenpolitiker und mindestens 14 weitere Moscheebesucher. Es schwand auch der Glaube mancher Afghanen an eine bessere Zukunft.

Ihre verheerende Wirkung entfaltete die Bombe, weil sie gleich dreifache Symbolkraft hatte. So starben die Opfer in der vergleichsweise sicheren Nordprovinz Takhar und beim besonders symbolträchtigen Freitagsgebet in einer Moschee. Damit soll die Botschaft des Anschlags lauten: Afghanen sind an keinem Ort und zu keiner Zeit mehr sicher in ihrem Land.

Zudem explodierte der Sprengstoff genau einen Tag nachdem der Krieg des Westens am Hindukusch in sein zehntes Jahr ging, nachdem ein weiterer deutscher Soldat in der benachbarten Provinz Baghlan starb - und nachdem der afghanische Präsident Hamid Karsai erstmals den neu eingesetzten Friedensrat für künftige Verhandlungen mit den Taliban versammelt hatte. Falls Afghanen also Zuversicht geschöpft hatten, dass sich nach bald einer Dekade westlicher Truppenpräsenz ein Weg aus dem Krieg andeuten könnte, so sollte diese Hoffnung im Moscheeboden von Takhar versinken.

Zuletzt war der Angriff nach Überzeugung der Sicherheitskräfte gezielt gegen Gouverneur Omar gerichtet, der an den Wochenenden oft von Kundus ins benachbarte Takhar gereist war. Zwar gehört Omar zur Volksgruppe der Paschtunen, aus denen sich auch die große Mehrheit der Taliban rekrutiert. Doch kämpfte er während des Bürgerkriegs zeitweise auf Seiten der Taliban-Gegner von der Nordallianz und bemühte sich zuletzt um den Ausgleich zwischen rivalisierenden Gruppen.

Besonderen Ärger der aufständischen Islamisten zog er auf sich, als er offen die Verschlechterung der Sicherheitslage in den vergangenen zwei Jahren ansprach. Als Lösung propagierte er ein härteres militärisches Vorgehen gegen die Taliban und rief sowohl die in Nordafghanistan verantwortliche Bundeswehr als auch die in den vergangenen Monaten hinzugezogenen amerikanischen Truppen auf, auszurücken und zu kämpfen.

Somit dient der Anschlag im Gotteshaus auch als Warnung an alle Politiker, welche die Nato im Kampf gegen die Taliban unterstützen und die Versöhnung der Afghanen vorantreiben.

Doch so drastisch die Drohungen der Islamisten sein mögen, so haben die Afghanen keine andere Wahl, als die Vermittlung zwischen den verfeindeten Parteien voranzubringen. Wenn sie der Einschüchterung der Taliban nachgeben, verschwindet ihre Hoffnung für immer.

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