Afghanistan:Gruß der Taliban

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Noch vor dem Besuch von Obamas Gesandten Holbrooke erreicht das Chaos in Afghanistan einen neuen Höhepunkt. Doch die Terror-Offensive kann gestoppt werden.

Peter Münch

Wer in diesen Zeiten nach Kabul fährt, der weiß, was ihn erwartet: ein kalter Wind vom Hindukusch, eine Stadt in steter Furcht - und Bomben, immer wieder Bomben. Als sich Richard Holbrooke, Washingtons neuer Sondergesandter für Afghanistan und Pakistan, nun auf den Weg machte in sein neues Arbeitsgebiet, da hat er solche Unbilden bereits vorausgesehen: "Ein Chaos wie dieses", so verkündete der in Balkankriegen gestählte Vermittler, habe er noch nie gesehen.

Afghanische Sicherheitskräfte rennen zum Justizministerium, wo kurz zuvor ein Anschlag verübt worden ist. (Foto: Foto: AP)

Noch bevor Holbrookes Flugzeug landete, hat dieses Chaos einen neuen Höhepunkt erreicht: In Kabul griffen die Taliban fast gleichzeitig drei Regierungsgebäude an, darunter das Justizministerium, und richteten ein Blutbad an. Das ist ein Willkommensgruß der brutalsten Art; er passt zu diesem Krieg, in dem es keinerlei Rücksichten mehr gibt.

Und dieser Krieg tobt längst nicht mehr nur in den paschtunischen Taliban-Hochburgen im Süden und Osten des Landes. Nein, mitten in der Hauptstadt zünden die Extremisten pünktlich zum Holbrooke-Besuch ihre Botschaft: Eure Staatsmacht ist hilflos gegen die Macht unserer Zerstörung.

Obwohl der Westen und die afghanische Regierung nun schon seit 2001 in diesem Kampf stehen, ist ein abgestimmtes Konzept nicht zu erkennen. Vielmehr haben sich die Ansätze und die Interessen im Lauf der Jahre dramatisch auseinanderentwickelt.

Washington setzt auf Stärke, führt seine Militärmacht gegen die Taliban ins Feld und will nun unter Präsident Barack Obama noch einmal bis zu 30.000 Soldaten zusätzlich nach Afghanistan schicken. Präsident Hamid Karsai in Kabul dagegen macht Verhandlungsangebote und will zumindest Teile der Taliban einbinden. Eine alte Freundschaft ist darüber zerbrochen. Die US-Regierung schimpft auf Karsai; und Karsai verdammt die US-Militärstrategie, die immer wieder zivile Opfer fordert.

Holbrookes Aufgabe in diesem Chaos wird es sein, die beiden Strategien miteinander zu versöhnen. Und so schwierig dies auch erscheint, es könnte durchaus gelingen. Denn es ist einerseits klar, dass dieser Krieg nicht allein militärisch zu gewinnen ist. Andererseits aber werden noch mehr Truppen gebraucht, um den Vormarsch der Taliban zu stoppen.

Dabei trägt die Verstärkung am Boden auch dazu bei, zivile Opfer zu vermeiden, die beim Krieg aus der Luft fast unausweichlich sind. Aus einer Position der Stärke heraus könnten die afghanische Regierung und der Westen dann gemeinsam den Taliban Verhandlungsangebote machen, die nicht als erster Schritt hin zu einer Kapitulation verstanden werden müssen.

Noch ist Afghanistan nicht verloren für das Stabilisierungsprojekt. Die Afghanen wollen nur keine Demokratie, für die sie täglich in Angst vor dem Bombenterror leben müssen. Wer ihnen endlich Ruhe und Sicherheit verspricht, auf dessen Seite schlagen sie sich - und wenn es die Taliban sind, die wieder einmal eine Friedhofsruhe in Aussicht stellen.

© SZ vom 12.02.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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