Afghanistan-Einsatz:Helfer schicken - und keine Soldaten!

Die Afghanistan-Mandate der Bundeswehr haben wenig mit der Realität am Hindukusch zu tun. Dort fehlen Helfer und Geld für den Wiederaufbau des Landes. Der Westen schickt nun noch mehr Soldaten - eine falsche Strategie.

Thorsten Denkler

Das Afghanistan-Mandat der Bundeswehr wird um ein weiteres Jahr verlängert werden. Erst mal wird also weitergewurschtelt wie bisher, was nichts Gutes für das Land bedeutet. Die Sicherheitslage in dem Land am Hindukusch verschärft sich von Jahr zu Jahr - trotz immer höherer Truppenzahl.

Afghanistan, Bundeswehr, ddp

Ein deutscher Soldat in Afghanistan.

(Foto: Foto: ddp)

Die Wirtschaftslage dort wird immer schlechter. Afghanistan ist das zweitärmste Land der Erde, obwohl viel Geld dorthin fließt. Allein Deutschland hat 2008 mehr als 200 Millionen Euro für Entwicklungs-Zusammenarbeit in Afghanistan investiert. Allerdings stehen dem 540 Millionen Euro für den deutschen Militäreinsatz gegenüber.

Ziviler Aufbau und militärischer Einsatz - nach den Regeln des Isaf-Mandates bedingen sich beide Aufgaben. Die Argumentation: Nur unter militärischem Schutz lässt sich der Wiederaufbau des Landes voranbringen. Das ist auch richtig.

Nur: Die Prioritäten in Afghanistan sind in Wahrheit ganz andere.

Ziviler Aufbau ist eben in Wahrheit nicht vorrangiges, sondern allerhöchstens zweitrangiges Ziel geworden. Neben Isaf gibt es das Kampf-Mandat gegen den Terrorismus, OEF (Operation Enduring Freedom). Die Grenzen zwischen beiden Mandaten sind fließend.

Die Bekämpfung der aufständischen Taliban - dies steht ganz oben auf der Liste. Auch wenn klar ist, dass die Gotteskrieger militärisch nicht zu besiegen sind, und das Ziel, darüber das Land zu befrieden, nicht erreicht werden kann.

Dieser Logik muss sich auch die Entwicklungshilfe unterordnen. Geholfen wird nicht dort, wo es nötig ist, sondern dort, wo der zivile Wiederaufbau hilft, die Taliban in Schach zu halten.

Vorteil der Generäle und Soldaten

Die Generäle und Soldaten haben einen entscheidenden Vorteil gegenüber den Wiederaufbauhelfern: Sie haben das gemeinsame Ziel, die Taliban zu besiegen. Die Alliierten arbeiten trotz aller Hakeleien gemeinsam daran, es gibt klare Befehlsketten, in die sich alle Truppensteller grundsätzlich einordnen.

In der Entwicklungshilfe fehlt ein gemeinsamer Oberbefehlshaber. Jedes Geberland backt seine eigenen Brötchen. Von einem gemeinsamen Vorgehen sind sie weit entfernt. Oft wird Geld an die Afghanen selbst gegeben, obwohl den Einheimischen jede Infrastruktur und oft das Know-how fehlt, es sinnvoll einzusetzen.

Von der Entwicklungshilfe profitieren zudem hauptsächlich die Städte. Auf dem Land aber, wo der Opium-Anbau der einzig einträgliche Wirtschaftszweig ist, kommt kaum etwas an. So verpufft gut Gemeintes. Es bleibt: schlecht Gemachtes.

Mehr Lohn für Polizisten

Zugleich aber wäre mehr Geld nötig. Für die Polizeiausbildung in Afghanistan fehlt es an allen Ecken und Enden. Etwa 80 Dollar im Monat verdient ein Polizist - das ist zu wenig, um eine Familie zu ernähren. Das macht ihn anfällig für Korruption.

Die Deutschen haben bis Mai 2009 lediglich 7000 Polizisten in ihrer eigenen Akademie in Kabul ausgebildet. Außerdem wurden 17.000 Afghanen von deutschen Trainern geschult - dafür stellte man 35 Millionen Euro bereit. Auch die Amerikaner haben mehr als eine Milliarde US-Dollar investiert, um Ordnungshüter zu schulen.

Trotz des vielen Geldes gilt die Schulung als schlecht - und als Polizist gilt manchmal schon, wer eine Woche die Schulbank gedrückt hat. Benötigt werden aber mehr als 130.000 Polizisten. Dafür gibt es nicht genug Ausbilder. Im Rahmen der Eupol-Mission hat die Europäische Union 400 Polizeiausbilder versprochen. Ein Bruchteil davon ist bisher im Einsatz. Ein Witz angesichts der militärischen Präsenz.

Seit Jahren fordern daher Afghanen, nicht noch mehr Truppen nach Afghanistan zu schicken, sondern mehr Helfer. Die Bundesregierung täte gut daran, diesem Votum zu folgen und dem amerikanischen Ruf nach mehr Truppen zu widerstehen. Nicht zuletzt, weil eine Strategie, die Wiederaufbau wieder zum obersten Ziel macht, auch die Akzeptanz des Engagements in Deutschland wieder erhöhen würde.

Nötig wäre das, zumal nach dem Tanklaster-Desaster von Kundus.

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