Afghanistan-Einsatz:Ex-General Kujat wirft Regierung Ignoranz vor

Nach dem Tod dreier Bundeswehr-Soldaten fordert Entwicklungsminister Niebel mehr Rückhalt für die Truppe. Derweil liest Ex-Generalinspekteur Kujat der Regierung die Leviten.

Der frühere Generalinspekteur Harald Kujat hat die Bundesregierung im Zusammenhang mit dem jüngsten Angriff auf Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan scharf kritisiert.

Aus dem Luftangriff im September, bei dem nahe Kundus rund 140 Menschen ums Leben gekommen waren, seien nicht die nötigen Lehren gezogen worden, sagte Kujat der Welt am Sonntag. "Unsere Soldaten sind dort nur in diese Lage geraten, weil sie wie so oft nicht mit den nötigen modernen Aufklärungssystemen ausgerüstet sind."

Der General, der zwischen 2000 und 2002 Deutschlands ranghöchster Soldat war, befürchtet weitere Anschläge auf die deutschen Soldaten in Nordafghanistan. Der Luftangriff vom September habe die Taliban zunächst geschwächt, sagte Kujat. "Danach haben sie eine gewisse Zeit gebraucht, um sich in Szene zu setzen. Und genau das tun sie jetzt."

Zwei Tage nach den blutigen Gefechten von Kundus nahmen die Bundeswehrsoldaten vor Ort Abschied von ihren drei getöteten Kameraden. Im Feldlager der nordafghanischen Provinz erwiesen sie an diesem Sonntag den zwischen 25 und 35 Jahre alten Fallschirmjägern aus Niedersachsen die letzte Ehre. "Wir haben alle gehofft, dass wir diesen Tag niemals erleben müssen", sagte der Isaf-Kommandeur für Nordafghanistan, Brigadegeneral Frank Leidenberger. "Die Hoffnung wurde am 2. April jäh zerstört".

Leidenberger gedachte auch der versehentlich von der Bundeswehr getöteten afghanischen Soldaten und entschuldigte sich bei deren Angehörigen. Erstmals räumte er ein, dass sechs Afghanen getötet wurden. Bisher hatte die Bundeswehr von fünf Toten gesprochen.

Verletzte Soldaten nach Koblenz gebracht

Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel sprach den Soldaten in Kundus die Anteilnahme der Bundesregierung aus. Er hatte seine Afghanistan-Reise um einen Tag verlängert, um an der Trauerfeier teilnehmen zu können. "Die deutschen Soldaten lassen sich durch noch so heimtückische Gewalt nicht beeinflussen", sagte der FDP-Politiker. "Mit unseren Alliierten werden wir den Kampf gegen den Terrorismus in Afghanistan für ein friedliches, stabiles und sicheres Land fortsetzen."

Niebel forderte in einem Interview mehr Rückhalt in der Bevölkerung für den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan. Das Gefecht zeige, wie gefährlich die Situation für die Soldaten dort sei. "Sie wünschen sich mehr Verständnis dafür, dass sie sich, manchmal auch präventiv, wehren müssen", sagte der Liberale der Bild am Sonntag.

Die Soldaten verstünden nicht, wenn sie sich dafür in der deutschen Öffentlichkeit rechtfertigen müssten oder sogar strafrechtlich verfolgt würden, betonte der Minister, der in Afghanistan Wiederaufbauprojekte besucht hatte, die mit deutscher Hilfe finanziert werden.

Am Karfreitag waren die drei Soldaten bei stundenlangen Gefechten zwischen der Bundeswehr und den radikal-islamischen Taliban nahe Kundus erschossen worden. Acht weitere deutsche Soldaten wurden verletzt. Vier von ihnen wurden am Samstag in die Heimat geflogen und zur Behandlung ins Bundeswehrkrankenhaus in Koblenz gebracht.

Die Trauerfeier fand auf dem Appellplatz statt, von wo aus die Bundeswehrpatrouillen in den Einsatz fahren. Dort befindet sich auch ein Ehrenhain für alle im Einsatz gefallenen Bundeswehrsoldaten.

Die Särge mit den Leichen der drei Soldaten wurden in Transportpanzern auf den Platz gefahren, wo sich mehrere hundert Soldaten versammelt hatten. Noch am Sonntag sollten die Särge mit Hubschraubern und einem Militärflugzeug zunächst über Masar-i-Sharif in das usbekische Termes gebracht werden. Von dort sollten sie im Airbus der Delegation von Entwicklungsminister Niebel nach Deutschland gebracht werden.

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