Afghanistan:Bundeswehr tötet Jugendlichen

Deutsche Soldaten haben in Nordafghanistan einen Jugendlichen erschossen - jetzt hat sich die Staatsanwaltschaft Potsdam eingeschaltet.

Nach der Tötung eines Jugendlichen durch die Bundeswehr in Afghanistan hat sich die zuständige Staatsanwaltschaft Potsdam eingeschaltet. Die Behörde prüft nach Angaben eines Sprechers, ob gegen die beteiligten Soldaten Ermittlungen eingeleitet werden.

Schwieriger Einsatz: Die Bundeswehr sieht sich in Afghanistan mit neuen Aufgaben und Bedrohungen konfrontiert.

Schwieriger Einsatz: Die Bundeswehr sieht sich in Afghanistan mit neuen Aufgaben und Bedrohungen konfrontiert.

(Foto: Foto: ddp)

Der Jugendliche war am Sonntag in der Nähe des deutschen Feldlagers Kundus erschossen worden. Er saß in einem Kleinlaster, der auf eine deutsche Stellung zuraste. Nach Angaben der afghanischen Behörden kamen dabei zwei weitere Zivilisten ums Leben. Dafür gab es von deutscher Seite jedoch keine Bestätigung.

Nach Angaben des Verteidigungsministeriums ereignete sich der Zwischenfall am Sonntag im Norden Afghanistans etwa zehn Kilometern von Kundus entfernt. Demnach ließ sich ein mit fünf Menschen besetzter Kleinlaster auch durch Warnschüsse nicht stoppen.

Daraufhin hätten die Soldaten gezielt auf das Fahrzeug geschossen, um es zum Stehen zu bringen. Dabei seien der Jugendliche getötet und zwei weitere Insassen schwer verletzt worden. Soldaten hätten keine Verletzungen erlitten.

Hintergründe unklar

"Nach derzeit vorliegenden Informationen mussten die Soldaten von einem Angriff ausgehen, so dass der Schusswaffengebrauch auf der Grundlage bestehender Einsatzregeln rechtmäßig erfolgte", sagte Ministeriumssprecher Christian Dienst. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Potsdam machte das weitere Vorgehen davon abhängig, ob die Bundeswehr-Angehörigen eindeutig in Notwehr gehandelt haben. "Wenn sich eine Notwehrlage aufdrängt, muss man keinen Ermittlungsvorgang einleiten." Bislang handele es sich nur um Vorermittlungen.

Unklar blieb zunächst, ob es sich tatsächlich um einen geplanten Anschlag handelte. In dem Fahrzeug wurden nach Ministeriumsangaben weder Waffen noch Sprengstoff gefunden. Der afghanische Provinzgouverneur Mohammad Omar sagte: "Die deutschen Truppen hatten Geheimdienstinformationen, dass bewaffnete Taliban-Kämpfer in einem zivilen Fahrzeug unterwegs seien.

Widersprüchliche Angaben

Widersprüche gab es über die Zahl der Todesopfer. Omar sprach von insgesamt drei getöteten Zivilisten, neben dem Jugendlichen auch zwei Männer. Im Verteidigungsministerium gab es dafür keine Bestätigung.

Das Ministerium selbst hatte am Sonntag zunächst von zwei Toten gesprochen und am Montag nur noch von einem. Dies wurde später damit erklärt, dass sich "Missverständnisse eingeschlichen" hätten.

Die Staatsanwaltschaft Potsdam ist grundsätzlich zuständig, wenn die Bundeswehr einen möglicherweise strafrechtlich relevanten Vorgang im Ausland meldet. Bestätigt sich ein Anfangsverdacht, leitet sie den Fall an die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft weiter - je nachdem, woher der beschuldigte Soldat stammt. Vor einem Jahr hatte ein deutscher Soldat in Afghanistan eine Frau und zwei Kinder versehentlich erschossen. Die Ermittlungen wurden nach neun Monaten eingestellt.

Bei einem Bombenanschlag im Westen Afghanistans kamen am Sonntag in einem Minibus mindestens elf Menschen ums Leben. Wie die Polizei mitteilte, wurde ein weiterer Zivilist verletzt, als in der Provinz Farah kurz hintereinander zwei am Straßenrand versteckte Sprengsätze explodierten. Die Behörden machten radikalislamische Extremisten für die Tat verantwortlich.

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