Afghanistan:Besonders aggressiv

Lesezeit: 2 min

Bei dem Taliban-Attentat in Kabul sind am Dienstag mindestens 28 Menschen getötet und mehr als 300 Menschen verletzt worden. (Foto: Jawad Jalali/dpa)

Die Taliban verüben einen Anschlag in Kabul, es gibt viele Tote. Es ist die erste Attacke in der Hauptstadt seit Beginn der sogenannten Frühjahrsoffensive.

Von Tobias Matern, München

Die Taliban haben bei einem Anschlag in der afghanischen Hauptstadt Kabul mindestens 28 Menschen getötet und mehr als 300 weitere Menschen verletzt. Ein Attentäter hatte eine Autobombe gezündet, ein weiterer Angreifer lieferte sich Schusswechsel mit Sicherheitskräften. Ein Sprecher des afghanischen Innenministeriums sagte, der Angriff habe Sicherheitskräften gegolten, die für den Schutz hochrangiger Politiker zuständig sind. Der Anschlag ereignete sich im Zentrum Kabuls, in der Nähe ist auch das Verteidigungsministerium. Unter den Toten sollen sich zahlreiche Mitarbeiter des Geheimdienstes befinden.

Die afghanische Regierung nannte den Anschlag ein "Kriegsverbrechen", das jedoch nicht die Widerstandskraft der Afghanen brechen werde. Ein Taliban-Sprecher teilte mit, seine Bewegung stehe hinter den Angriffen. Mit der Auswahl des Ziels wollen die Islamisten erneut unter Beweis stellen, dass die afghanischen Sicherheitskräfte ihnen nicht gewachsen sind. Sie setzen dafür weniger auf direkte Gefechte als auf spektakuläre Anschläge - vor allem gegen Ministerien, Einrichtungen der Sicherheitskräfte und Botschaften.

Die meisten Afghanen haben die Hoffnung auf Frieden aufgegeben

Es ist die erste Attacke in Kabul seit Beginn der sogenannten Frühjahrsoffensive in der vergangenen Woche, die in diesem Jahr besonders aggressiv ausfällt. In den Wintermonaten ziehen sich die meisten Taliban traditionell in das benachbarte Pakistan zurück. Vor allem in der nördlichen Provinz Kundus, in der die Bundeswehr bis zu ihrem Abzug stationiert war, attackieren die Aufständischen Sicherheitskräfte. Im vergangenen Jahr war es ihnen gelungen, die Stadt Kundus für einige Tage unter ihre Kontrolle zu bringen, was vor allem auch an strategischen Fehlern der afghanischen Sicherheitskräfte lag.

Zwar hat sich der afghanische Präsident Aschraf Ghani in den vergangenen Monaten intensiv um Friedensverhandlungen mit den Islamisten bemüht - allerdings ohne entscheidende Fortschritte erzielen zu können. Auch das verstärkte Engagement Chinas und Pakistans und die öffentlich geäußerte Absicht, seinen Einfluss auf die Taliban geltend zu machen und sie zu Gesprächen zu ermuntern, haben bislang keine Ergebnisse gebracht. Die afghanische Zivilbevölkerung und die afghanischen Sicherheitskräfte leben nach wie vor im Zustand permanenter Unsicherheit.

Anschläge wie am Dienstag legen den strategischen Fehler offen, den der Westen in Afghanistan begangen hat: Die Kampftruppen haben das Land 2014 zu einem Zeitpunkt verlassen, als sich der Krieg in einer Pattsituation befand. Zwar sind die Taliban nicht stark genug, um Kabul zu überrennen. Sie sind aber auch nicht so sehr unter Druck, dass sie Friedensgespräche führen müssten. Der Westen hat nur noch einige Tausend Ausbilder für die afghanischen Sicherheitskräfte im Land stationiert.

Für die Afghanen gehören Anschläge wie am Dienstag zum Alltag. "Die Menschen gehen in die Krankenhäuser, um Blut zu spenden", berichtet ein Bewohner aus Kabul. Von Mittwoch an würden sie die Ereignisse aber wieder versuchen zu verdrängen, "weil dies nicht der erste und der nicht letzte Anschlag war", sagt er. Die meisten seiner Landsleute hätten die Hoffnung aufgeben, dass es bald zu einem Frieden in ihrem Land kommen werde.

© SZ vom 20.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: