Debatte über Abschiebestopp:Warum die Koalition Afghanen vielleicht bald abweist

Aufbau von winterfesten Hallen für Flüchtlinge

Der nächste Zug? Schwierig. Immer mehr junge Afghanen kommen über die Balkan-Route nach Deutschland. Aber ihre Zukunft hier ist ungewiss.

(Foto: Bernd Settnik/dpa)

Immer mehr junge, gut ausgebildete Afghanen verlassen ihre Heimat - oft mit dem Ziel Deutschland. Nun erwägt die Bundesregierung, sie zurückzuschicken.

Von Stefan Braun, Berlin

Die Berichte häufen sich. Und in Berlin wachsen spürbar die Sorgen. Es sind mal die Offiziere befreundeter westlicher Einheiten, mal Flüchtlingshelfer, die es in ihren eigenen Projekten erleben, mal Regierungsvertreter aus der Hauptstadt Kabul, die alle immer wieder die gleiche Geschichte erzählen.

Geschichten über junge, gut ausgebildete Afghanen, die eigentlich ganz gut etabliert sind, einen guten Job haben und eigentlich auch die Chance auf eine bessere Zukunft.

Die Zahl der Afghanen wächst täglich

Trotzdem verkaufen sie ihre Wohnung oder ihr Haus, um Richtung Europa, meistens sogar ganz dezidiert nach Deutschland aufzubrechen. Es sind die Menschen, die das vom Krieg geschundene Land besonders bräuchte; es sind aber auch die Menschen, die die Angst und den religiösen Fanatismus nicht länger ertragen möchten.

Die Folgen sind längst unübersehbar: auch unter den Flüchtlingen, die derzeit über die Balkanroute nach Deutschland kommen, wächst die Zahl der Afghanen quasi täglich. Aus diesem Grund wird die Frage, wie man diesen Strom bremsen könnte, in der Bundesregierung immer drängender behandelt. Dabei wird offensichtlich, wie wichtig es sein wird, das Land weiter zu stabilisieren und seinen Menschen - gerade jenen, die eben genannt wurden - zugleich eine echte Perspektive zu geben.

Das verlangt vor allem nach einem längeren Einsatz internationaler Truppen und nach sehr viel mehr Geld, um eine wirklich nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung anzustoßen. Kanzlerin Angela Merkel erklärt seit Wochen, dass die Bekämpfung der Fluchtursachen teuer werden dürfte. Afghanistan ist dafür das beste Beispiel.

Zugleich jedoch wird inzwischen in Berlin auch laut darüber nachgedacht, Rückführungen abgelehnter Asylbewerber aus dem Land wieder möglich zu machen. Derzeit gilt ein faktischer Abschiebestopp, weil bislang ein Konsens darüber herrschte, dass das Land zu gefährlich sei, um die Menschen dorthin zurückzuschicken. Mittlerweile jedoch hat sich die Idee ausgebreitet, nicht das ganze Land sei gefährlich und deshalb könnte es doch möglich sein, Afghanen in einige, aktuell friedlichere Provinzen abzuschieben.

Zahl der Plätze wird knapper, die Kritik lauter

Die Motive für eine solche Argumentation liegen auf der Hand: Zum einen werden Aufnahmeplätze knapper; zum anderen aber werden unter den Kritikern des aktuellen Kurses die Rufe nach mehr Abschiebungen immer lauter.

Dass die Afghanen unter den Geduldeten nur eine kleine Gruppe bilden (derzeit sind es knapp 7000 von 190 000), interessiert dabei offenkundig wenig. Es geht wie so oft vor allem um symbolische Gesten. Und es geht um die Angst, dass Hunderttausende Afghanen sich noch auf den Weg machen könnten.

Aus diesem Grund fordern Kritiker des Merkel-Kurses wie der bayerische Innenminister Joachim Herrmann und der frühere Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (beide CSU) jeden Tag vehementer, die EU oder Berlin müssten endlich ein Rückübernahmeabkommen mit Afghanistan aushandeln.

Nach dem Beschluss des Brüsseler Sondertreffens am Sonntagabend wird die EU-Kommission genau das nun beginnen. Das Auswärtige Amt betonte am Montag allerdings, auch mit einer solchen Vereinbarung sei ein Ende des Abschiebestopps noch nicht beschlossene Sache.

Entschieden scheint deshalb nur eines zu sein: dass all jene, die in den vergangenen zwölf Jahren für die Bundeswehr in Afghanistan gearbeitet haben, nicht zurückgeschickt werden. Auch dann nicht, wenn sie als Asylbewerber abgelehnt wurden. In der Vergangenheit hat es auch für diese Menschen große Probleme geben. Am Montag hieß es nun, für diesen Personenkreis würden künftig großzügige Regeln gelten.

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