Affären:Er bleibt dann mal da

Flughafen Hahn - Innenminister Roger Lewentz

Genießt unverhofft Rückendeckung: Roger Lewentz (SPD), Innenminister in Mainz, scheint das Schlimmste überstanden zu haben. Für die SPD wären die Nachteile eines Rücktritts wohl größer als die Vorteile.

(Foto: Thomas Frey/dpa)

Ein Mann mit Rückendeckung: Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD), der beim versuchten Verkauf des Flughafens Hahn auf einen Scharlatan hereinfiel, weicht nicht.

Von Susanne Höll

MainzDer rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz und seine Regierungs-SPD hatten eine ungemütliche Woche. Drei Ausschüsse des Landtages beschäftigten sich mit dem von Lewentz maßgeblich zu verantwortenden und politisch peinlichen Reinfall beim ersten Privatisierungsversuch des Flughafens Hahn. Für ihn und die Regierung wird es so schnell nicht kommod: Am 24. Mai ist die heikle Sache Thema im Justizausschuss. Danach dürfte sich entscheiden, ob ein parlamentarisches Untersuchungsgremium die Blamage unter die Lupe nimmt. Nicht alle Fragen sind beantwortet, gut möglich, dass man nie die ganze Wahrheit erfährt. Ziemlich sicher ist hingegen, dass der Minister im Amt bleibt.

Anderswo wäre ein Ressortchef, der wegen Versäumnissen und Schlampereien vom Landesrechnungshof ein katastrophales Zeugnis kassierte, sicher bereits Privatier. Nicht so in Mainz. Die Sozialdemokraten und ihre Ministerpräsidentin Malu Dreyer hatten - und haben - ihre ganz eigenen Gründe, warum sie ihn trotz zunächst großer Verärgerung im Amt halten. In der Rückschau auf die erste Hahn-Privatisierung zeigt sich zudem, dass die oppositionelle CDU, wenn auch wider Willen, dazu beitrug, dass der Minister weiter arbeiten kann.

Niemand kannte den angeblichen Großinvestor aus Shanghai, wie auch: Er war ein Hochstapler

Anfang Juni 2016 tut Lewentz kund, dass ein Interessent für den chronisch defizitären und schwer verkäuflichen Regionalflughafen Hahn, den sich die Landesregierung nicht mehr leisten kann, gefunden sei. Der Bewerber ist ein selbst in Wirtschaftskreisen seiner Heimat unbekannter Herr aus Shanghai. Recherchen deutscher Journalisten ergeben, dass er nicht der wohlhabende Geschäftsmann sein kann, als der er präsentiert wurde. Alles Unfug, entgegnet die Mainzer Regierung zunächst. Doch tatsächlich entpuppt sich der angebliche Investor schon bald als Schwindler und Hochstapler. Lewentz muss in jenen Sommertagen um sein Amt fürchten.

Denn die SPD-Oberen sind erbost und auch in Panik. Nach mehreren Debakeln beim Verkauf des Nürburgrings droht ein neuer Skandal. Regierungschefin Dreyer, die sich bei den Verkaufsprozeduren augenscheinlich allzu sehr auf ihren Minister verließ, weist die Verantwortung von sich und macht das Innenministerium für die Fehler verantwortlich. Niemand in der damals gerade neu gebildeten Ampel-Koalition würde auf den Verbleib von Lewentz wetten. Ein Spitzenmann der Sozialdemokraten sagt in vertraulicher Runde: Es gebe immer personelle Alternativen für Ministerämter.

Die CDU, die mit ihrer Spitzenkandidatin Julia Klöckner bei der Landtagswahl im März 2016 gerade eine schmerzhafte Niederlage hat hinnehmen müssen, sieht ihre Zeit gekommen, wieder Boden zu gewinnen. Sie beantragt ein Misstrauensvotum gegen die Dreyer-Regierung und macht die Ministerpräsidentin neben Lewentz für die Blamage verantwortlich. Das schweißt die SPD und auch das Regierungsbündnis mit FDP und Grünen erst einmal zusammen. Die Koalition ist erst ein paar Wochen alt, niemand will sie aufkündigen, jeder für sich und alle miteinander hätten viel zu verlieren. Geschlossen wird der Antrag abgelehnt: Solidarität für Lewentz auch aus Gründen der Macht.

Zudem erkennen die Sozialdemokraten, dass sie im Fall eines Ausscheidens des Innenministers ein zweites delikates Personalproblem zu lösen hätten. Lewentz ist auch Landesvorsitzender der Partei, beliebt an der Basis, nicht zuletzt, weil er als ziemlich feiner Kerl gilt. Sein Nachfolger in der Partei wird wohl irgendwann einmal Fraktionschef Alexander Schweitzer werden, der derzeit auch als unangefochtener Nachfolgekandidat der Ministerpräsidentin angesehen wird. Offenkundig haben aber weder Dreyer noch Schweitzer Interesse an einem frühen Wechsel im Vorsitz, der zudem Unmut in die traditionell friedliebende Landespartei tragen würde. Lewentz kann also in den Sommerferien 2016 etwas aufatmen, sein Stuhl steht wieder fest auf vier Beinen.

Reuig und mit einer neuen Beraterfirma an der Seite macht sich der Minister auf die Suche nach einem anderen Investor. Im Gegensatz zu vorher wird diesmal genauer geprüft und gearbeitet. Auch die Ministerpräsidentin hat gelernt und lässt sich über jeden Schritt informieren. Lewentz ist Erfolg beschert, der chinesische Konzern HNA, Mitbesitzer der Deutschen Bank und im internationalen Fluggeschäft tätig, übernimmt Ende März 2017 den Flughafen. Die Scharte scheint ausgewetzt, der Minister hat sich, wenn man ihm wohl will, rehabilitiert. Die SPD darf eine kurze Pause in der leidigen Hahn-Affäre genießen und hofft schon, die Veräußerung des Flughafens könne noch ein glückliches Ende nehmen.

Ende April aber legt der Landesrechnungshof eine Expertise über das Debakel des ersten Verkaufsversuches vor. Es ist ein politisches Bankrottattest. Der Minister habe, so das Urteil der Ausgabenprüfer, seinerzeit so gut wie alle entscheidenden Regeln für derartige Privatisierungen missachtet - und niemand aus der Landesregierung sei ihm in den Arm gefallen, lautet das Fazit. Lewentz gibt Fehler zu, ein Ende seiner politischen Karriere muss er aber nicht mehr fürchten.

Ministerpräsidentin Malu Dreyer, die ein knappes Jahr zuvor das Versagen noch auf ihren Parteikollegen schob, weist Anfang Mai im Mainzer Landtag die Forderung der CDU nach Entlassung des Ministers strikt zurück: "Die Frage personeller Konsequenzen oder eines Rücktritts stellt sich für mich nicht."

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