AfD:"Wir müssen das Thema Islam mit einem Knall öffentlich machen!"

Beatrix von Storch

Beatrix von Storch ist Vorsitzende des Berliner Landesverbands der Alternative für Deutschland (AFD) und stellvertretende Chefin der Bundespartei.

(Foto: dpa)

Hat die AfD wirklich Angst vor dem Islam? Die Vorgeschichte der aktuellen Kampagne offenbart vor allem, wie sehr Beatrix von Storch auf medienwirksame PR-Effekte achtet.

Von Oliver Das Gupta

Seit ein paar Tagen debattiert Deutschland nun schon über die antimuslimischen Äußerungen der AfD-Spitze. Islamverbände sind empört, ebenso die Politiker anderer Parteien, selbst die Bundeskanzlerin hat sich geäußert. Ein Ausrutscher am rechten Rand der AfD? Eher nicht - die Vorgeschichte der Kampagne deutet auf eine geplante und gezielte Provokation hin. Der Reihe nach:

Ein paar Tage vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg am 13. März sickerten vertrauliche Inhalte aus der AfD-Spitze durch. Plötzlich war ein Arbeitsentwurf für das Parteiprogramm über Correctiv abrufbar. Dazu zitierten das Recherchenetzwerk und der Spiegel aus E-Mails der stellvertretenden Parteichefin Beatrix von Storch.

Am selben Tag bestätigte sie deren grundsätzliche Authentizität während eines Auftritts in Nürtingen (hier mehr dazu), obgleich sie sich nicht mehr an den Wortlaut erinnern konnte. "Ich habe viele Mails geschrieben", sagte sie damals zur SZ.

In der kolportierten Korrespondenz forderte die Europa-Abgeordnete mit Verve, ein neues Thema ins Zentrum der Parteiagitation zu rücken: den Islam und seine Bekämpfung.

Etwa einen Monat später tut die Partei-Vize genau das: In diesen Tagen startet sie eine islamfeindliche Kampagne. Es ist ein Kick-off, der Interesse steigern soll für den Parteitag, der am 30. April in Stuttgart beginnt.

Solche Kampagnen gehören zum Alltagsgeschäft der Parteien. Was Timing und Planung betrifft, ahmt die AfD die von ihr geschmähten politischen Mitbewerber nach. Was in diesem Fall anders ist: Die Genese des AfD-Vorstoßes liegt offen. Und sie zeigt, welche Motivation die Führungsspitze antreibt, die Partei auf Anti-Islam-Kurs zu bugsieren.

In den durchgesickerten Mail-Passagen scheint Beatrix von Storch nicht etwa eine angeblich drohende Islamisierung des Abendlandes zu fürchten. Die Berlinerin argumentiert anders, sie zeigt sich als kühle, rein am Erfolg interessierte Strategin.

Ihr geht es um das Erregungspotenzial bisheriger und möglicher neuer AfD-Anhänger. Das scheint Storch als gefährdet zu sehen, wenn die Partei allein auf die bisherigen Themen setzt. "Asyl und Euro sind verbraucht, bringen nichts Neues", schrieb sie damals. Also muss etwas Frisches her: der Islam und seine Bekämpfung, ein Thema, das laut Storch bestens für die "Außenkommunikation" geeignet sei.

Mit aller Macht in die Medien

Storchs Mails dokumentieren, dass die AfD-Führungsriege der öffentlichen Wirkung mehr Aufmerksamkeit widmet als den Inhalten an sich. Der Fall ist ein Paradebeispiel für Populismus: Man orientiert sich an Zustimmung und bringt Themen aufs Tableau, die leicht für Erregung sorgen.

Ausgerechnet die von AfDlern immer wieder als "Pinocchiopresse", "Lügenpresse" und "Systemmedien" geschmähten Zeitungen, Magazine und Sender spielen die entscheidende Rolle in Storchs Überlegungen. "Die Presse wird sich auf unsere Ablehnung des politischen Islams stürzen, wie auf kein zweites Thema des Programms", so wird Storch zitiert. Hauptsache Aufmerksamkeit, mit aller Macht in die Medien.

Storch wollte damals verhindern, dass islamfeindliche Passagen aus dem Programmentwurf zu früh an die Öffentlichkeit gelangen. Sie fürchtete, dass die Wirkung der Kampagne abgeschwächt werden könnte, wenn die islamophoben Inhalte häppchenweise publik würden.

Das sorgte AfD-intern für größeren Unmut, doch Storch gab sich unbeirrt: "Wir müssen das Thema Islam mit einem Knall öffentlich machen! Wenn wir das - noch dazu in unverbindlicher Fragemanier - vorwegnehmen, machen wir einen kommunikativen Fehler."

Genau das aber passierte: Die klar gegen praktizierende Muslime gerichteten Punkte der verschiedenen Programmentwürfe drangen vorher an die Öffentlichkeit (hier mehr dazu).

Storch selbst hielt sich bis jetzt demonstrativ zurück. Am Tag, als ihre Anti-Islam-Mails publik wurden, wetterte sie im schwäbischen Nürtingen gegen die EU, die GEZ, gegen Gender-Forschung, Angela Merkel und die angebliche Frühsexualisierung von Kindern. Das Wort "Islam" nahm sie kein einziges Mal in den Mund.

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