AfD-Parteitag:Ruck nach rechts

Mit dem Parteitag in Essen hat sich die AfD zur Pegida-Partei gemacht. Intoleranz, Dumpfheit und Ressentiments gegen den Islam werden nach dem Abgang von Bernd Lucke dominieren. Die alleinige Chefin Frauke Petry weiß diese Stimmungen zu nutzen.

Kommentar von Jens Schneider

Man muss die Alternative für Deutschland nicht mögen, um zu verstehen, dass sie fast zwangsläufig entstanden ist. Die AfD füllte vor zwei Jahren eine Leerstelle in der politischen Landschaft. Diesen Platz hatte vor allem Angela Merkel mit der notwendigen Modernisierung der CDU frei gemacht. Viele konservative Bürgerliche fühlten sich politisch heimatlos, als hätte Merkel sie und ihre Werte allein zurückgelassen. Komischerweise meinen sie, dass in Merkels Deutschland ein rot-grüner Zeitgeist herrsche, "seit 40 oder 50 Jahren", wie ein führender AfD-Politiker auf dem Parteitag in einer Rede behauptete.

Die Kanzlerin der CDU gehört für sie zu diesem Zeitgeist. Ihr Euro-Kurs wurde zum Kristallisationspunkt für das Unbehagen der AfD-Gründer. Sie sind beseelt von dem bizarren Selbstverständnis, ihre objektive Wahrheit gegen Lebenslügen des Zeitgeists zu stellen. Dafür stand der schulmeisterliche Bernd Lucke, der jetzt abserviert wurde, als Symbolfigur.

Den Aufstieg der AfD hätten diese Konservativen jedoch allein nie erreicht. Auch wäre die AfD nicht so schnell auf 20 000 Mitglieder angewachsen ohne den Zulauf von vielen diffus unzufriedenen Bürgern, die keinerlei politische Erfahrung mitbrachten und diese Partei nutzen, um ihren kruden Unmut und oft auch Ressentiments auszuleben. Auch Rechtsextreme entdeckten in der AfD für sich eine Chance. Nur mit dieser Breite konnte die Partei eine Resonanz erreichen, die andere rechte Parteigründungen, wie zum Beispiel einst die Republikaner, nie hatten. Wer hierzulande offen rechtsextrem agiert, stößt an Grenzen, die Lucke und Gefährten gerade wegen der politischen Bandbreite zunächst durchbrachen.

In Essen ist die AFD zur Pegida-Partei geworden

Seit dem Essener Parteitag gibt es diese AfD nicht mehr. Übrig geblieben ist eine nach rechts offene Partei als Sammlungsbewegung, die frustrierte Kleinbürger genauso wie extreme Strömungen einbinden will, solange sie nicht offen etwa mit der NPD sympathisieren. Der Parteitag war ein Wendepunkt für die AfD, und das weniger, weil Lucke gestürzt wurde.

Machtwechsel sollten normal sein, und Luckes Kampf gegen die Populisten war auch scheinheilig. Lucke hat selbst mit schlichten Parolen um Protestwähler geworben, sein Schicksal hat er sich mit einem egomanischen Führungsstil verdient. Das eigentliche Signal von Essen war die Intoleranz und Dumpfheit, die den Parteitag prägte. Bezeichnend war, wie wenig die AfD an diesem Wochenende über Griechenland sprach. Stattdessen dominierten Asylpolitik und Zuwanderung, offen wurden Vorbehalte gegen den Islam verbreitet. Es war entlarvend, wie derb Lucke ausgepfiffen wurde, als er warnte, mit Angriffen auf den Islam die Gefühle von Millionen deutscher Staatsbürger muslimischen Glaubens zu verletzen, sie damit auszugrenzen.

So etwas gab es auf früheren Parteitagen nicht. Auch da war die AfD nicht nur die "Professoren-Partei", als die sie sich gab. In Essen aber ist sie zur Pegida-Partei geworden, die Basis hat das genossen. Mit bürgerlichen Umgangsformen hatte das Treiben im Saal so wenig gemein wie der Krawall von Hooligans in einem Fußballstadion. Der Grundton war Motzen gegen den angeblichen Mainstream.

Petry gibt sich offen zur Mitte und bedient zugleich rechte Protestwähler

Lucke wurde gedemütigt, Frauke Petry grinste dazu genüsslich. Sie genoss ihren Triumph und übersah, welche Art Partei jetzt übrig ist. Es ist eine AfD, die in der rechten Ecke steckt. Dabei ist Petry keine plumpe Rechtsextreme, sie überlässt die schlichten Parolen meist anderen. Sie hat ein Gespür für Politik und verfügt über das Talent einer Populistin, die mit Andeutungen oder auch nur Fragen Ressentiments bedient. Sie ist geschickter als Lucke, wenn es darum geht, sich offen zur politischen Mitte zu geben und zugleich rechte Protestwähler zu bedienen.

Es ist schwer zu erkennen, ob Petry feste Standpunkte oder die Aussicht auf eine Karriere in der AfD antreiben. Das macht sie politisch so geschmeidig und für ihre Gegner gefährlich. Niemand sollte einen schnellen Untergang der AfD erwarten, deren großer Streit erst mal vorbei ist. Petry hat verstanden, dass man nicht als Rechtsaußen gelten darf, wenn man eine rechte Partei zum Erfolg führen will. Sie wird versuchen, das Bild von einer breiten neuen Volkspartei zu prägen.

In Essen hat Petry sofort erklärt, dass ihr Erfolg kein Sieg der Konservativen über die Liberalen sei. Gern hätte sie namhafte Weggefährten von Bernd Lucke für die Parteispitze gewonnen. Die mochten aber nicht als Feigenblatt dienen. Die Angehörigen ganz rechter Strömungen und viele Wirrköpfe werden Petry fortan daran erinnern, auf welcher Welle sie nach oben ritt. Das ist der Preis ihrer Macht. Ein Rechtsruck bleibt ein Rechtsruck, auch wenn er nicht so aussehen soll.

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