Landtagspolitik:Die AfD macht Showpolitik

dpa-Story: Strategen der AfD

Björn Höcke (vorne links) führt die AfD im Erfurter Landtag. Drei Parteikollegen haben die Fraktion im Streit verlassen.

(Foto: Michael Kappeler/dpa)

Dort, wo die Partei schon seit 2014 im Landtag sitzt, hat sie bisher kaum eigene Vorschläge gemacht - aber viel provoziert.

Von Cornelius Pollmer, Dresden, und Jens Schneider, Berlin

Miro Jennerjahn gehört den Grünen an, aber im Sommer 2014 fühlte er sich in besonderer Weise vom Wahlkampf der sächsischen AfD angesprochen, vor allem von deren Schimpfen auf die Altparteien, die angeblich nichts für die Bürger tun würden. Jennerjahn schaute sich das Wirken der AfD also genau an und bilanzierte es ein Jahr später.

Ergebnis: 288 Kleine Anfragen, das waren gut 20 pro Abgeordnetem. Zum Vergleich berechnete Jennerjahn die Erstjahreswerte jener Fraktionen, die nach der Wahl 2004 neu entstanden waren und vor ähnlichen Aufbau-Herausforderungen gestanden hatten. Ergebnis: 24 Kleine Anfragen pro Abgeordnetem bei den Grünen, 31 bei der NPD, gut 76 bei der FDP.

In anderen Kategorien wie Anträgen und Gesetzesentwürfen liegt die AfD quantitativ noch deutlicher hinter anderen Oppositionsfraktionen zurück. Und qualitativ, sagt Jennerjahn, "sind die Anträge der AfD überwiegend oberflächlich". So hat die AfD vor Monaten für jedes in Sachsen neu geborene Kind 5000 Euro Begrüßungsgeld gefordert. Für die mehr als 170 Millionen Euro, die das im Jahr kosten würde, gab es keine Finanzierungsvorschläge. Eingereicht wurde der Antrag zudem wenige Wochen nach den Haushaltsverhandlungen.

Die AfD beschäftigt sich viel mit Streit in den eigenen Reihen

Überhaupt falle es auf, dass die Partei "keine eigenen konzeptionellen Vorschläge macht", sagt Jennerjahn. Als Beispiel führt er die Drucksache 6/734 an, in der die AfD die Staatsregierung auffordert, im Bundesrat für die Einführung von Volksentscheiden zu wirken. Damit endet der Antrag auch - ohne Vorschläge, wie genau und mit welchen Quoren so etwas geschehen solle.

Vor gut 18 Monaten zog die AfD erstmals in deutsche Landtage ein. Nach den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen gründeten sich ihre ersten Fraktionen, um sich bald darauf zumindest in Erfurt und Potsdam gleich wieder mit Streit in den eigenen Reihen zu beschäftigen. In Thüringen verließen drei Abgeordnete die Fraktion, es gab heftige Spannungen mit deren Vorsitzendem Björn Höcke.

Vollständig ist auch die AfD-Fraktion in Hamburg nicht mehr. Acht Sitze holte die Landespartei dort vor einem Jahr. Nun trat der Abgeordnete Ludwig Flocken nach internen Querelen aus. In der Bremischen Bürgerschaft hat die AfD in Alexander Tassis einen Einzelabgeordneten. Seine drei früheren Wegbegleiter haben sich nach dem Bruch der AfD im Sommer der Partei Alfa angeschlossen, die vom einstigen AfD-Gründer Bernd Lucke angeführt wird.

Das Parlament dient als Bühne für Provokation

Im Potsdamer Landtag sind die Spuren der Verwerfungen in der AfD für jeden sofort zu erkennen. Der Abgeordnete Stefan Hein sitzt allein an einem Pult, die meisten seiner früheren Parteifreunde meiden ihn. Hein ist der Sohn der Lebensgefährtin von Alexander Gauland, der dominanten Figur in der Brandenburger AfD. Gauland war für ihn das politische Vorbild. Doch kurz nach dem Einzug ins Parlament ließ der Stiefvater ihn aus der Fraktion ausschließen, weil andere Abgeordnete es wollten. Zuvor war bekannt geworden, dass Hein Quelle eines Medienberichts über angebliche Verwerfungen in der Fraktion war.

Gauland behielt mit dem Rauswurf die Zügel in der Hand, er bestimmt bis heute das Bild der AfD-Fraktion nach außen nahezu allein. Dabei drehen sich fast alle Initiativen der AfD um das Thema Flüchtlinge. Der 75-jährige Gauland - einst Herausgeber der Märkischen Allgemeinen - sieht das Thema als Chance, die AfD als Vertreter der kleinen Leute zu etablieren.

Nicht mit inhaltlichen Initiativen versucht es die AfD, Gauland setzt im Parlament auf gezielte Provokationen - und findet stets einen Dreh hin zum Thema Flüchtlinge. Das Parlament dient dafür als Bühne. In der letzten Sitzung forderte Gauland mehr Unterstützung für sozial schwache Deutsche, die von der Politik vernachlässigt würden: "Muss der sozialbedürftige Bürger erst das Mittelmeer überqueren, bevor er von der Politik wahrgenommen wird?" Es sei besonders absurd, so antwortete die Grünen-Politikerin Ursula Nonnemacher darauf, "wenn ein zorniger alter Mann mit großbürgerlicher Attitüde mit seinem Jaguar quer durch die Republik hetzt als selbst ernannter Anwalt des kleinen Mannes".

Die AfD redet von "Rotfaschisten" und "linken Kaspern und Kesselflickern"

Diese spezielle Fokussierung nimmt Matthias Hey ebenso wahr. Der SPD-Fraktionschef im Erfurter Landtag sagt, es sei "schon beeindruckend, wie es die AfD bei wirklich jedem Thema schafft, in wenigen Sätzen zu Angela Merkel, der Flüchtlingswelle oder Volksverräterschaft umzuschwenken". Das sei ermüdend.

"Es ist eine Fraktion, die gerne provoziert. Wir hatten noch nie so viele Ordnungsrufe und Rügen zu verzeichnen wie jetzt", sagt Hey und fügt zum Beleg gleich ein paar Beispiele an. Von "Rotfaschisten" habe die AfD genauso schon gesprochen wie von "linken Kaspern und Kesselflickern". Mike Mohring, Fraktionschef der CDU, registriert zudem, dass die AfD "sich auf die Straße verlagert und ihre parlamentarische Arbeit durch Demonstrationspolitik ersetzt hat".

In Sachsen allerdings fiel die AfD zu Beginn dieses Jahres dann doch mal mit einem Antrag auf. Es ging darin um den Schutz von Frauen und Kindern vor häuslicher Gewalt - nicht aber ging es um den Schutz des Urheberrechts: Der eingebrachte Antrag war in großen Teilen von der Linksfraktion in Mecklenburg-Vorpommern abgeschrieben worden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: