EXKLUSIV:Geplante AfD-Stiftung könnte rechte Gönner anziehen

AfD Spitzenkandidaten

Er unterstützt die Gustav-Stresemann-Stiftung, sie die Desiderius-Erasmus-Stiftung: die AfD-Politiker Alexander Gauland und Alice Weidel.

(Foto: dpa)
  • Am kommenden Freitag entscheidet der AfD-Vorstand über eine parteinahe Stiftung.
  • Um die Gunst des Vorstands konkurrieren die Gustav-Stresemann-Stiftung des rechten Flügels und die wirtschaftsliberale Desiderius-Erasmus-Stiftung.
  • Parteinahe Stiftungen erhalten staatliche Unterstützung - und private Spenden. Zu den möglichen Desiderius-Gönnern gehört die libertäre Hayek-Gesellschaft, zu den möglichen Gönnern der Stresemann-Stiftung die rechte Organisation "Ein Prozent".

Von Sebastian Pittelkow, Katja Riedel und Jens Schneider

Fragt man den mächtigsten Mann der AfD, so sagt Alexander Gauland, dass es ihm nur um den Namen geht. "Gustav Stresemann und die AfD, das passt zusammen", erklärt er. Nicht nur Stresemanns Nachfahren finden allerdings, dass die AfD nichts gemeinsam hat mit dem deutschen Außenminister der Weimarer Jahre, der für seine Politik der Versöhnung mit Frankreich 1926 mit dem Friedensnobelpreis geehrt wurde. Gauland schert das nicht. Zu sehr gefällt ihm die Idee, dass die AfD eine parteinahe Stiftung unter dem Namen Stresemanns aufbaut.

Doch es gibt starke interne Konkurrenz, am 19. Januar soll der AfD-Vorstand entscheiden. Allein um den Namen wird es dabei nicht gehen, sondern um Reputation, viel Geld und - wie immer in der AfD - auch um einen Richtungskampf. Jedes Jahr verteilt der Staat zweistellige Millionenbeträge an die Stiftungen der Bundestagsparteien, die damit Bildungsarbeit in ihrem Sinne betreiben können. Die AfD sieht hier eine Chance, langfristig mit staatlicher Finanzhilfe ein Netzwerk aufzubauen. Zudem können Gönner die AfD über diesen Weg unterstützen, ohne offiziell als Parteispender aufzutauchen.

An der Idee einer parteinahen Stiftung arbeitet die Partei schon lange. Rund um die AfD sind so viele Vereine mit wohlklingenden Namen großer Denker oder Politiker entstanden, dass selbst mächtige AfD-Politiker sie kaum auseinanderhalten konnten. Nun konkurriert in einer Art Finale die in Jena ansässige "Gustav-Stresemann-Stiftung" mit der in Lübeck registrierten "Desiderius-Erasmus-Stiftung" um die Gunst des Parteivorstands.

Beide Anwärter haben bereits vermögende Gönner hinter sich

Fraktionsvorsitzende Alice Weidel favorisiert die Desiderius-Erasmus-Stiftung, die dem wirtschaftsliberalen Flügel zugerechnet wird. Ihr Vorstand, der Bundestagsabgeordnete Peter Boehringer, ist in vermögenden Kreisen bestens verdrahtet. Die von Parteichef Gauland unterstützte Stresemann-Stiftung steht dem rechten AfD-Flügel nahe.

Zunächst sollen die Bewerber intern nachweisen, dass sie seriös und verlässlich sind. "Eine klare Sachlage ist vor einer Entscheidung zwingend erforderlich", sagt Vorstandsmitglied Andreas Kalbitz. Man will spätere Überraschungen vermeiden.

Beide Anwärter haben einen sehr spezifischen Hintergrund, und nach Informationen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung bereits vermögende Gönner hinter sich versammelt.

In die Erasmus-Stiftung soll unter anderem Geld aus dem Umfeld der liberalkonservativen und libertären Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft fließen, in der neben Weidel auch Boehringer und Beatrix von Storch Mitglieder sind. Ein prominenter süddeutscher Unternehmer habe angekündigt, umgehend 250 000 Euro zu zahlen, sollte der Bundesvorstand zugunsten dieser Stiftung entscheiden, berichten AfD-Funktionäre.

Auch aus Kreisen des Konkurrenzprojektes "Stresemann" wird gestreut, dass eine erste Finanzierung gesichert sei: Ein Privatmann, Unternehmer aus Sachsen, habe den im Herbst von AfD-Parteimitgliedern übernommenen Stiftungsverein mit einem Kapital von etwa 50 000 Euro ausgestattet. Zudem hätten mehrere private Spender bereits deutlich höhere Geldbeträge zugesagt, darunter eine hochbetagte Dame aus Bayern, die ihr Erbe dem AfD-Umfeld zur Verfügung stellen wolle.

Politisch brisanter ist aber, dass die rechte Organisation "Ein Prozent" den Angaben von AfD-Funktionären zufolge eine Finanzspritze angekündigt haben soll - für den Fall, dass die AfD sich für Stresemann entscheidet. "Ein Prozent" (Ein Prozent für unser Land) stammt aus dem Umfeld des neurechten Ideologen Götz Kubitschek, der als Einflüsterer des "Flügels" um den Thüringer Rechtsausleger Björn Höcke gilt. Zuletzt soll es auch intensive Kontakte zwischen Kubitschek und Gauland gegeben haben. Der freilich betont, dass er von Details um den Verein in Jena nichts wisse. Dessen Vergangenheit interessiere ihn nicht, ihm gehe es ja nur um den Namen.

Die Sorge wächst, dass rechte Netzwerke die Stiftung dominieren

Der Stresemann-Verein war einst gegründet worden, um der rechtsradikalen Partei "Die Freiheit" als Stiftung zu dienen, wurde aber nach deren Auflösung 2016 nicht mehr gebraucht. Die Spur des Vereins führt in Jena zur Adresse der Anwaltskanzlei Pwb, an der auch der Verein Journalistenwatch e.V. seine Adresse hat. Kanzleichef Philipp Wolfgang Beyer ist Mitglied und war vorher stellvertretender Vorsitzender des Vereins, der das Portal Journalistenwatch.com betreibt. Es teilt wiederum Inhalte und Autoren mit extrem rechten Plattformen wie PI-News und dem Deutschland-Kurier, der wöchentlichen Postille des AfD-Unterstützerclubs "Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten".

Im Herbst 2017 haben zwei einfache AfD-Mitglieder den Stresemann-Verein übernommen. Einer ist Rainer Gross, Stiftungsbeauftragter der Bayerischen Landesbank in München. Der andere ist Hannes Kernert, ein Unternehmer aus Dresden. Kernert gilt als einflussreicher Strippenzieher: Augenzeugen berichten, er habe beim Bundesparteitag in Hannover gemeinsam mit dem sächsischen Landesvorsitzenden Siegbert Droese per Chatgruppe versucht, das Abstimmungsverhalten der sächsischen Delegierten zu steuern - zugunsten des rechten Flügels. Er bestreitet das: Er habe keine einflussreiche Rolle in der Partei. Aber in Teilen der AfD wächst die Sorge, dass rechte Netzwerke sich andocken und die Stiftung dominieren könnten.

Genau diesen Eindruck will man im Parteivorstand vermeiden - auch um neue interne Grabenkämpfe abzuwenden. Die parteinahe Stiftung soll keinem Flügel zugeordnet werden können und auch über dem Ost-West-Konflikt schweben, der die internen Kämpfe oft prägt. "Das Ziel ist ein Stiftungsmodell, das von vorneherein regional und nach politischen Strömungen paritätisch besetzt ist", sagt Kalbitz. "Die Zeit drängt."

Bis Ende Januar muss eine Entscheidung gefallen sein, wenn die Partei bald auf Geld aus den staatlichen Töpfen hoffen will. Wirklich große Summen kann sie aber erst erwarten, wenn sie zum zweiten Mal in den Bundestag einziehen sollte. Das entspricht der bisherigen Praxis und Rechtsprechung. Auch ein Gutachten, das die AfD bei einem Wirtschaftsprüfer in Auftrag gegeben hat und das NDR, WDR und SZ vorliegt, stützt diese Auffassung.

Peter Boehringer vom Bewerber Erasmus hat intern schon angekündigt, dass er das nicht akzeptieren will. Die AfD solle - unabhängig davon, wer zum Zuge kommt - juristisch erzwingen, dass sie schneller von den Fördertöpfen profitiert, schrieb er in einer Rundmail an führende AfD-Funktionäre.

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